Archiv für den Monat: Mai 2008

„Der Sozialstaat wird rückgebaut“

In der heutigen Taz findet sich ein Interview mit dem Chefökonom des DGB zum Thema Sozialstaat und Arbeitslosigkeit. Lt. seiner Ansicht hat „die Agenda 2010 … mit dem Aufschwung genauso viel zu tun wie die Geburtenrate mit der Zahl der Störche“ – zumal der private Konsum trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs nicht in Schwung käme. Deutlich macht Hirschel im Interview, dass die Transferleistungen seit 1998 real um bis zu 13 % gekürzt wurden – durch die Absenkung der alten Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfeniveau, aber auch die Nicht-Anpassung anderer Leistungen an die steigenden Lebenshaltungskosten.

Link zum Interview in der Taz 

UNICEF-Bericht zur Lage der Kinder in Deutschland

In Deutschland wächst die Kluft zwischen den Kindern, die gesund, abgesichert und gefördert aufwachsen und solchen, deren Alltag durch Hoffnungslosigkeit, Mangel und Ausgrenzung geprägt ist. Zu diesem Ergebniss kommt eine aktuelle Studie, die von Unicef in Auftrag gegeben wurde. Dabei wurden verschiedene Dimensionen des Aufwachsens von Kindern untersucht: materielle Risiken, Bildungschancen in Kindergarten und Schule, Gesundheit und Fragen der Migration.

Link zu näheren Informationen  von Unicef  und der Kurzfassung des Berichts

Erhöhung des Wohngelds erstmal auf Eis

Wie die Tagesschau gestern Abend und heute diverse Tageszeitungen melden, ist die vom Bundestag beschlossene Wohngelderhöhung (s. Meldung vom 23.02.08) zunächst gestoppt – und zwar durch den Bundesrat.  Zunächst sollen noch einige Streitfragen geklärt werden. Es wird nun befürchtet, dass z. B. die geplante Anknüpfung des Wohngelds an die  Heizkosten infrage gestellt wird.

Das deutsche Sozialsystem ist nicht so effizient wie behauptet

Im Entwurf des 3. Armuts- und Reichtumsbericht wird behauptet: „Der Sozialstaat wirkt“ (s. Meldung von gestern). Eine Studie des Instituts zur Zukunft der Arbeit in Bonn hat ganz aktuell herausgefunden, dass Deutschland im europäischen Vergleich nur einen Platz im Mittelfeld einnimmt. Trotz eines BIP-Anteils der Sozialausgaben von fast 30% kommen nur etwa 2,5% der jährlich rund 700 Milliarden Euro den wirklich Armen zugute. Die beste „Performance“ hat Tschechien, gefolgt von der Slowakei und Slowenien.

Link zum Download der Studie (in englischer Sprache)

Der Entwurf des neuen Armuts- und Reichtumsbericht kursiert schon

Lt. offizieller Auskunft des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wird der neue Armuts- und Reichtumsbericht erst im Juni – nach der Verabschiedung im Kabinett – veröffentlicht. Selbstverständlich kursiert der „Entwurf“ aber bereits nicht nur unter JournalistInnen. Und so können wir staunend lesen , wie trotz des weiteren Anstiegs der Einkommensarmut und der Vergrößerung des Ungleichgewichts zwischen arm und reich die amtierende Regierung ihre bisherigen Maßnahmen preist. „Der Beschäftigungsaufschwung kommt bei allen an“, „Der Sozialstaat wirkt“ und unangenehme Nachrichten (12 % arme Kinder) werden mit dem Verweis gekontert, dass es anderswo noch schlimmer sei.

Hinzu kommt, dass es immer mehr Hinweise über die geschönte Datenbasis bzw. deren Interpretation gibt. So ist heute in der TAZ zu lesen, dass die Reduzierung der Armut durch Sozialtransfers von Experten wie denen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung angezweifelt wird, denn lt. ihren eigenen Berechnungen könne die Sozial- und Steuerpolitik immer weniger die Ungleichheiten zwischen GeringverdienerInnen und Einkommensstarken kompensieren. Auch das Soziologische Forschungsinstitut der Uni Göttingen (Sofi) habe herausgefunden, dass die staatliche Umverteilung ihre Wirkung verliere – Arme bleiben arm und Reiche bleiben reich.

Link zum Artikel in der TAZ

Neuer Armuts- und Reichtumsbericht noch nicht abgestimmt

Wie den heutigen Tageszeitungen zu entnehmen ist, wurde der neue Armuts- und Reichtumsbericht zwar gestern von Sozialminister Scholz vorgestellt, ist aber noch nicht vom Bundeskabinett gebilligt. Dies wird wohl frühestens Ende Juni erfolgen, wenn sich das Bundeskabinett offiziell mit dem „Entwurf“ genannten Bericht beschäftigt. Deutlich wird bereits jetzt, dass es um diesen Bericht viel Gerangel geben wird, denn wie bspw. die TAZ heute berichtet, wird von Einigen das Datematerial angezweifelt, denn das Deutsche Institut für Wirtschaft kommt aufgrund anderer Zahlengrundlagen auf eine Armutsquote von 18 % statt der 13 %, die lt. Armuts- und Reichtumsbericht gemessen wurde. Gleichzeitig gehen die Parteien in die Spur und nutzen die Zahlen für ihre Anliegen: Mindestlöhne anheben vs. Regelsätze Hartz IV anheben vs. Steuern senken etc.  Die Medien haben jedenfalls heute alle berichtet, hier eine kleine Auswahl:

Link zur Tageszeitung

Link zur Welt online 

Link zu Tagesschau.de

Link zu Spiegel online

3. Armuts- und Reichtumsbericht vorgestellt

Lt. diversen Tageszeitungen wird heute der 3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung der Öffentlichkeit vorgestellt. Auf der Seite des Bundesministeriums ist er heute Morgen noch nicht eingestellt gewesen (ich bleibe dran!). Wesentlichstes Ergebnis soll sein: Jede/r Achte ist arm, jede/r Vierte wäre von Armut betroffen, wenn die staatlichen Transferzahlungen wegfallen würden. Die Schere zwischen arm und reich ist weiter aufgegangen.

Details folgen, sobald der Bericht verfügbar ist.

Sprachtest in Berlin zeigt Vorsprung von Kita-Kindern

Die aktuellen Ergebnisse des Sprachtests „Deutsch plus“ in Berlin zeigen eine positive Entwicklung hinsichtlich des Sprachförderbedarfs, denn seit 2004 (26,1 %) bis 2007 (23,1 %) ist der Anteil betroffener Kinder stetig zurückgegangen (der Bedarf ist allerdings mit rund einem Viertel aller Berliner Kinder immer noch viel zu hoch!). Ein wichtiges Ergebnis ist dabei, dass Kinder, die keine Einrichtung (wie Kita) besuchten, einen wesentlich höheren Bedarf haben, dies betrifft vor allem Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache, hier liegt der Förderbedarf bei 72,5 %!

Link zur Pressemitteilung der Senatsverwaltung für Bildung in Berlin



Sozialer Abstieg heißt jetzt Exklusion

In einem Beitrag in der Süddeutschen Zeitung vom 5.5. (online 4.5.) erfolgt eine kritische Reflexion des Begriffs „Soziale Exklusion“, wie er u. a. aktuell vom Soziologen Heinz Bude benutzt wird. Dadurch gehe  lt. Budes „Kollege“ Bertold Vogel die „Aufmerksamkeit für sozialstrukturelle Zwischentöne, für die Widersprüche und Uneindeutigkeiten“ verloren“. Man sei also entweder drinnen (inkludiert) oder draußen (exkludiert). Lebenskrisen wie Arbeitslosigkeit würden aber je nach Status ganz individuell verarbeitet und führten – gesamtgesellschaftlich gesehen – auch nicht nicht zum Zerfall des Sozialen.

Der Begriff Exklusion taugt nach dieser Definition nur noch zur Dramatisierung einer gesellschaftlichen Entwicklung und zur Verdeutlichung, dass Armut und Ausgrenzung nicht mehr nur ein „Randgruppenschicksal“ ist. Sicherlich gibt es individuelle Ressourcen und Bewältigungsstrategien, und nicht jede/r Arbeitslose ist arm und/oder ausgegrenzt. Fakt ist jedoch, dass mit einer Kumulation von Armutslagen und sozialen Benachteiligungen die Wahrscheinlichkeit wächst, „draußen“ zu sein – ganz ohne Zwischentöne, einfach subjektiv „abgehängt“.

Link zum Artikel in der SZ