Das Bundesministerium der Finanzen hat den Entwurf des Existenzminimumberichts veröffentlicht. Dieser muss lt. Beschluss des Deutschen Bundestags alle zwei Jahre von der Bundesregierung vorgelegt werden; darin wird das von der Einkommensteuer freizustellende Existenzminimum von Erwachsenen und Kindern berechnet und vorgeschlagen. Im Entwurf wird eine Erhöhung des Kinderfreibetrags von 5.808 auf 6.024 Euro vorgeschlagen, dies setzt sich aus 3.864 Euro für das „sächliche Existenzminimum“ sowie 2.160 Euro für den Betreuungs- und Erziehungs- bzw. Ausbildungsbedarf zusammen. Kritik am Bericht kommt u. a. vom DPW, der ein Existenzminimum von 6.972 Euro vorschlägt, da für einige Bereiche wie Lebensmittel und Kleidung zu niedrige Beträge angesetzt worden seien.
Archiv für den Monat: Oktober 2008
Neue Studie zu arbeitslosen Hartz-IV-EmpfängerInnen
„Arbeitslose Hartz IV-Bezieher sind nicht weniger leistungsbereit als andere Arbeitslose. Sie sind aber oft gering qualifiziert und haben deshalb schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt.“ Dies ist die Zusammenfassung der Ergebnisse einer Studie des DIW Berlin. 70 % aller Arbeitslosen in Deutschland beziehen Alg-II-Leistungen, ihre Qualifikationen sind dabei im Vergleich mit den sonstigen Arbeitslosen schlechter, so hat bspw. jede/r fünfte keinen Hauptschulabschluss.
Link zur Pressemitteilung des DIW
Link zum Wochenbericht des DIW mit den ausführlichen Ergebnissen
Bildungsgipfel ein Flop?
Die Taz titelte am Donnerstag: „Bildungsrepublik fällt aus“, und tagesschau online spricht von einem „Minimalkompromiss ohne Finanzierungskonzept“. Überall werden die wenig konkreten Ergebnisse des Bildungsgipfels (der insgesamt übrigens nur 2 1/2 Stunden lang war…) kritisiert. Wie die ZEIT in der aktuellen Ausgabe feststellt, sind die Versprechungen vage, und für das Einsetzen einer AG zur Umsetzung des Ziels, die Ausgaben für Bildung und Forschung bis 2015 auf zehn Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) zu erhöhen, hätte wohl kein „Bildungsgipfel“ stattfinden müssen. So bleiben als Ergebnisse die Verlängerung des Hochschulpakts, Sprachkurse für Migrantenkinder und benachteiligte Jugendliche, verbindliche Sprachtests vor der Einschulung sowie die Halbierung der Abbrecher-Zahlen in Schule und Lehre.
Arbeitslosigkeit führt am häufigsten zur Überschuldung
Wie das Statistische Bundesamt gestern in einer Pressemitteilung bekannt gab, belegt die Überschuldungsstatistik des Statistischen Bundesamts , dass Arbeitslosigkeit in Deutschland am häufigsten zur Überschuldung führt. 30% der in Schuldnerberatungsstellen beratenen Personen haben dies 2007 als Hauptgrund für ihre Überschuldung genannt. Daneben waren Single-Haushalte überproportional von Überschuldung betroffen. Überschuldung ist ein wesentlicher Faktor für die Verarmung und soziale Ausgrenzung von Menschen. Mehr als die Hälfte der überschuldeten Personen (56%) verfügten 2007 über ein monatliches Nettoeinkommen unter 900 Euro und lagen damit unter der Pfändungsfreigrenze (derzeit 990 Euro) .
Armut und Einkommensarmut in Deutschland stärker angestiegen als in jedem anderen OECD-Land
Aus der heute veröffentlichten OECD-Studie „Mehr Ungleichheit trotz Wachstum?“ geht hervor, dass in keinem anderen OECD-Land Armut und Ungleichheit stärker angestiegen ist als in Deutschland. Die Armutsquote stieg zwischen 1985 und 2005 von 6 auf 11 % (Achtung! Relative Armut wird hier definiert als Einkommen, das weniger als die Hälfte – 50 % – des durchschnittlichen Einkommens beträgt. Lt. EU-Definition ist arm, wer weniger als 60 % zur Verfügung hat, hier wäre die Quote also noch viel höher!). Kinderarmut wuchs in diesem Zeitraum an von 7 auf 16 %. Lediglich im Bereich der Langzeitarmut (drei Jahre oder länger) sieht es in Deutschland besser aus als in den meisten anderen Ländern. Auch in dieser Studie wird wieder deutlich, dass der berufliche Status der Eltern den Bildungserfolg der Kinder determiniert. 10 % der Menschen besitzen die Hälfte des Gesamtvermögens und ein Viertel des Gesamteinkommens. Man fragt sich, wie viele solcher Zahlen noch veröffentlicht werden müssen, bevor eine gerechtere Verteilung von Einkommen, Vermögen und Bildungschancen in diesem Land angestrebt und umgesetzt wird.
Studie belegt Abschreckung durch Studiengebühren
Wie heute alle Tageszeitungen und Online-Portale berichten, belegt eine Studie des Hochschul-Informations- Systems (HIS), dass Studiengebühren abschreckend wirken und Studienwillige vom Studieren abhalten. Aus der noch geheim gehaltenen Studie (zu der sich auch keinerlei Informationen auf der HIS-Website finden) geht hervor, dass bis zu 18.000 AbiturientInnen des Abschlussjahrgangs 2006 wegen der Gebühren kein Studium aufgenommen haben. Vor allem betroffen: Frauen und Kinder aus Arbeiterhaushalten! Peinliche Ergebnisse so kurz vor dem großen Bildungsgipfel!
Mehr RisikoschülerInnen in Deutschland als gedacht
In der Wochenendausgabe der Taz mahnt Jürgen Baumert vom Max-Planck-Institut, dass es mehr RisikoschülerInnen in Deutschland gebe als gedacht. Seiner Ansicht gehören hierzu nicht nur die SchulabbrecherInnen, sondern etwa jeder vierte bis fünfte Jugendliche, der die Schule verlässt. So viele sind es, die nur ungenügend mit Texten und mathematischen Anforderungen im Berufsleben umgehen könnten. U. a. fordert er eine Verbesserung der Lehrerfortbildung und eine frühe Förderung dieser Kinder.
Armutsbericht Brandenburg sorgt für Diskussionen
Der aktuelle Armutsbericht der brandenburgischen Landesregierung sorgt für Diskussionen – und Kritik. Wie mehrere Zeitungen gestern und heute berichten, diskutieren die Abgeordneten noch über den Armutsbegriff und geben den bisher unveröffentlichten Bericht noch nicht frei. Hintergrund ist lt. u. a. der Märkischen Allgemeinen Zeitung, dass im Bericht mit einer Armutsgrenze von 75 % vom Durchschnittseinkommen gearbeitet wird – in der Armutsforschung als Grenze zu prekären Lebensverhältnissen definiert. Relative (Einkommens)Armut dagegen wird nach einer EU-Festlegung als ein Einkommen von weniger als 60 % des Durchschnittseinkommens definiert. Bei der Berechnung der Armutsquote macht das lt. Bericht einen Unterschied zwischen 13,7 oder 25 % von Armut Betroffenen aus.
Neues für Hartz-IV-EmpfängerInnen
Nachdem der Bundesrat die Rechtsberatung für Hartz-IV- und SozialhilfeempfängerInnen einschränken bzw. verteuern will, hat der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass der Bezug von Sozialleistungen kein Grund für die Abschiebung von türkischen StaatsbürgerInnen sein darf. Im Einzelnen: Beratungshilfe kostet bisher 10 Euro, hier sollen zukünftig weitere 20 Euro fällig werden, wenn Schriftsätze durch die RechtsanwältInnen verfasst werden – zuviel für die meisten Hartz-IV- und SozialhilfeempfängerInnen. Motivation ist wohl die Eindämmung der Klageflut… Dafür hat der EGH wieder einmal in einem Urteil festgestellt, dass die Bundesrepublik das Assoziationsabkommen mit der Türkei einhalten muss, nach dem auch zugezogene EhepartnerInnen und Kinder nach 5 Jahren in Deutschland EU-BürgerInnen gleichgestellt sind. Im verhandelten Fall sollte ein 23-Jähriger Türke abgeschoben werden, da er Schule und Ausbildungsmaßnahme angebrochen hatte und Alg II bezog.
Neue Beschlüsse der großen Koalition
Der Koalitionsausschuss hat diverse Beschlüsse gefasst, die die BürgerInnen z. T. finanziell entlasten, z. T. aber auch stärker belasten werden: Mehr Kindergeld (von dem Alg-II-EmpfängerInnen nichts haben, da es als Einkommen angerechnet wird), weniger Arbeitslosenversicherungsbeitrag, für viele höhere Krankenkassenbeiträge und vieles mehr. Die Oppositionsparteien rügen aus unterschiedlichen Gründen die Beschlüsse, so sei auch das mitbeschlossene „Schulbedarfspaket“ – 100 Euro pro Schuljahr bis zum 10. Schuljahr für Alg-II-EmpfängerInnen – eine „klägliche Zuwendung“ (M. Kurth, Grüne).