Gestern wurde in Berlin der 4. Teil einer Langzeitstudie zu Kinderarmut vorgestellt. Die seit knapp 15 Jahren begleiteten Kinder sind mittlerweile Jugendliche. Laut Studienleiterin Gerda Holz ist Armut der größte Risikofaktor für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Entscheidende Faktoren, die über das Aufwachsen von Kindern bestimmen, seien das Einkommen und der Bildungshintergrund der Eltern und die Familienform, in der das Kind aufwächst. Die Präsentation der Studie kann downgeloadet werden, die Publikation selbst ist nur käuflich zu erwerben.
Archiv für den Monat: September 2012
Entwurf des 4. Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung liegt vor
Der Entwurf des 4. Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung liegt vor und wird derzeit in der Presse sowie Fachöffentlichkeit diskutiert. Die wichtigste Botschaft ist, dass die Ungleichheit in Deutschland wächst. So konzentriert sich das Nettogesamtvermögen auf die Reichen (53 % des Vermögens halten die reichsten 10 % der Bevölkerung, die untersten 50 % der Bevölkerung dagegen haben nur knapp 1 %). Die Armutsgefährdungsquote stabilisiert sich bei 15 %. Zwar sinkt die Zahl der Arbeitslosengeld-II-EmpfängerInnen, doch die Zahl der AufstockerInnen („working poor“) wächst. Der Berichtsentwurf ist mehr als 500 Seiten stark, eine Zusammenfassung findet sich auf den Seiten 7-48.
Immer mehr Menschen arbeiten für einen Niedriglohn
Wie das Statistische Bundesamt in einer aktuellen Pressemitteilung verkündet, steigt die Anzahl von Menschen, die für einen Niedriglohn arbeiten (weniger als zwei Drittel des mittleren Verdienstes aller Beschäftigten, für 2010 wurden 10,36 Euro/Stunde errechnet). 20,6 % aller Beschäftigten in Betrieben mit zehn und mehr Beschäftigten arbeiteten laut Statistischem Bundesamt 2010 für einen Niedriglohn. Im Jahr 2006 hatte der Anteil noch bei 18,7 % gelegen. Besonders betroffen waren TaxifahrerInnen (87,0 %), Friseurinnen und Friseure (85,6 %) sowie das Reinigungsgewerbe (81,5 %). Auch unter diesen Aspekten sollte die aktuelle Debatte um eine Reform des Rentensystems verstärkt diskutiert werden.
Immer noch weniger Studienchancen für Kinder aus bildungsfernen Familien
Wie eine Studie im Auftrag der Vodafone-Stiftung zeigt, sind die Zugänge zu einem Hochschulstudium immer noch sozial selektiv. Die Chance von AkademikerInnen-Kindern, ein Studium aufzunehmen, ist etwa sechsmal so hoch wie das von Eltern ohne Universitätsabschluss. Die Hochschulberechtigung wird von ArbeiterInnenkindern dabei vor allem über alternative Wege wie die Fachhochschulreife erworben. Das Gymnasium hingegen trägt offenbar nicht zur Chancengerechtigkeit bei.
NichtwählerInnen sind am ärmsten
Einen deutlichen Zusammenhang zwischen materieller Armut und politischer Partizipation zeigt eine Studie der Uni Leipzig auf: NichtwählerInnen sind am ärmsten, so haben 18,5 Prozent von ihnen ein Einkommen unter 1000 Euro monatlich. Am meisten Geld haben FDP- und Grüne-WählerInnen. Auch hinsichtlich anderer Merkmale unterscheiden sich die WählerInnen deutlich, so bspw. im Gesundheitszustand oder der Mediennutzung. Kein einziger Arbeitsloser in der aktuellen Studie will übrigens FDP wählen. Vielmehr geht ein Drittel der befragten Arbeitslosen überhaupt nicht zur Wahl.
Verschämte Armut trotz Grundsicherung
Wie die Armutsforscherin Irene Becker bei einer Auswertung des Sozioökonomischen Panels festgestellt hat, erreicht die 2005 eingeführte „Grundsicherung im Alter“ nicht ihr Ziel, verschämte Armut zu beseitigen. Von fast einer Million Menschen, die 2007 einen Anspruch auf Grundsicherung hatten, bezogen nur 340.000 tatsächlich die Leistung. Ein möglicher Grund könnte lt. Becker sein, dass die Betroffenen Angst davor hätten, in eine billigere Wohnung umziehen zu müssen, um Grundsicherung zu erhalten. „Ein Umzug im Alter ist aber besonders belastend und der damit verbundene Verlust sozialer Kontakte meist nachhaltig“, stellt die Forscherin fest.
Statistik gut, Ursache schlecht: Jugendarbeitslosigkeit in Europa und Nordamerika
Eine aktuelle Studie der ILO (International Labour Organization) prognostiziert, dass die Jugendarbeitslosigkeit in Europa und Nordamerika sinken wird – von aktuell 17,5 % im Schnitt auf 15,6 % im Jahr 2017. Der Grund hierfür allerdings ist nach den Prognosen der ILO, dass sich immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene resigniert, weil chancenlos, vom Arbeitsmarkt zurückziehen. Schweden wird in dieser Hinsicht als Vorbild dargestellt, dort liegt die Arbeitslosenquote der Zielgruppe u. a. durch Beschäftigungsgarantien und Maßnahmen zur Qualifizierung wesentlich geringer als in den anderen untersuchten Industriestaaten.