Archiv der Kategorie: Arbeit

Das Wunder von Hartz IV?

Die FAS von heute berichtet in ihrem Wirtschaftsteil vom „Wunder am deutschen Arbeitsmarkt“. Die Arbeitslosigkeit sinke aufgrund von Hartz IV: „Es ist für viele Menschen nicht mehr so attraktiv, vom Arbeitslosengeld zu leben“. Vor allem qualifizierte Arbeitslose aus der Mittelschicht würden aufgrund der geringen Regelsätze von Alg II intensiver nach Arbeit suchen als mit dem höheren Alg I. Ein Beispiel präsentiert die FAS gleich mit – den Techniker CK, der wieder eine (unbefristete) Stelle gefunden hat. Die Kehrseite der Medaille verschweigt die FAS gar nicht, problematisiert sie aber auch nicht: Der erhöhte Druck auf die Arbeitslosengeld-II-BezieherInnen führt auch zu niedrigen Löhnen und Gehältern, denn alles erscheint eben besser als Hartz IV. Lediglich bei den Unqualifizierten verfängt dies nicht, da sie weiterhin aufstockend Alg II benötigen, wenn ihr Einkommen so gering ist, dass es den Regelsatz plus Unterkunftskosten nicht übersteigt. Fazit: Die UnternehmerInnen können sich bei den PolitikerInnen bedanken. Und wir wissen nun endgültig: Wer arbeiten will, findet auch was!

Link zum FAS-Artikel

Starthilfe für Erstklässler und billige Pflegekräfte

Kaum freut man sich beim morgendlichen Zeitungslesen über eine gute Nachricht für Berliner Kinder aus finanziell schwachen Familien, liest man ein paar Seiten weiter den mindestens ambivalente Gefühle auslösenden Artikel über billige Pflegekräfte durch kurzausgebildete Langzeitarbeitslose. Der Reihe nach:

Fast alle Tageszeitungen bringen heute eine kurze Nachricht zur Entscheidung des Berliner Senats, finanziell bedürftigen Berliner Erstklässlern ab dem kommenden Schuljahr ein sog. „Starter-Paket“ zu gewähren, das aus einem Härtefallfonds finanziert werden soll. Insgesamt 300.000 Euro sollen die Bezirke hierfür zur Verfügung gestellt bekommen. Initiiert hat das Ganze die Linke.

Link zur Nachricht im Tagesspiegel

In der Taz werden heute die Pläne der Bundesagentur für Arbeit problematisiert, Arbeitslose nach einer kurzen Schulung für die Betreuung von Demenzkranken einzusetzen. Betont wird von allen offiziellen Seiten, dass dadurch keine qualifizierten Kräfte ersetzt werden sollen, sondern zusätzliche Unterstützung gewährt werden soll – z. B. durch Vorlesen, Halmaspielen etc. Dementsprechend unterschiedlich sind die Reaktionen. Während das Vorhaben z. B. durch den Verein für selbstbestimmtes Wohnen im Alter e. V. begrüßt wird, finden es andere wie der Verein für Behindertenhilfe in Hamburg „sträflich“, „Langzeitlose auf Demenzkranke loszulassen“. Die Gewerkschaft Ver.di sieht die Gefahr, dass noch mehr Billigkräfte die Situation der PatientInnen in der Pflege weiter verschlechtern. Und ob man der Versicherung vertrauen kann, keine Festangestellten dafür einzusparen, ist noch die große Frage…

Link zum Artikel in der Taz

Die Kampagne „unvermittelt“

Unter dem Kampagnentitel „unvermittelt“ startet heute in Berlin eine mehrwöchige Aktion „für einen Arbeitsbegriff jenseits von Überarbeitung und Mangel. Praxen, Techniken, Spielräume“ (Website). „unvermittelt“ ist eine AG der NGBK Berlin e.V. (Neue Gesellschaft für bildende Kunst). In Workshops, bei Demonstrationen, aber auch solch originellen Aktionen wie dem „Ausgliederungsservice“, bei dem am 16.8. ein Vertrag abgeschlossen werden kann, der zu nichts verpflichtet (im Gegensatz zum Instrument der Eingliederungsvereinbarung der  Arbeitsagenturen!) sollen Fragen beantwortet werden wie:
* Wie verhält sich der Wert einer Stunde Systemadministration zum Wert einer Stunde joggen?
* Und wieviel Wert hat die Zeit, die wir mit Pflege unserer sozialen Netzwerke verbringen?

Die Kampagne wurde heute Vormittag von der Berliner Arbeitssenatorin eröffnet und läuft noch bis zum 17.09.2008.

Link zur Website von „unvermittelt“

Was ist neu nach der Sommerpause?

Neues gibt es zum Thema Regelsätze für Alg-II-EmpfängerInnen: Die Berliner Sozialsenatorin setzt sich für eine Erhöhung der Regelsätze ein, so will sie das Thema bei der Konferenz der Arbeits- und Sozialminister im November erneut auf den Tisch bringen.  Zwar hat die Konferenz dies im Mai schon einmal beschlossen, die Bundesregierung hat trotz Aufforderung des Bundesrats die Regelsätze aber nicht erhöht. Näheres siehe Taz-Artikel von heute.

Link zum Taz-Artikel

Ansonsten ist die Klagewelle gegen Alg-II-Bescheide lt. einem Artikel in der FR weiterhin ungebrochen. Als Blamage wird dies bezeichnet, da die sog. Sozialreformen eigentlich Bürokratie abbauen und die Verfahren vereinfachen sollten. Süffisant stellt die Zeitung fest, dass Hartz IV so tatsächlich zu einem „gigantischen Beschäftigungsprogramm“ geworden ist – für Anwälte, Richter und die Verwaltung!

Link zum FR-Artikel vom 8.8.

Außerdem hat der Bundesrechnungshof  einem Bericht der HAZ zufolge gravierende Mängel bei der Arbeit der Job-Center zur Vermittlung von Arbeitssuchenden festgestellt.  In einem Prüfbericht seien u. a. lange Wartezeiten sowie der Missbrauch mit Ein-Euro-Jobs bemängelt worden.

Link zum HAZ-Artikel vom 25.7.

 

Diskriminierung von Wohnungslosen im Lokalanzeiger

Im BAB Lokalanzeiger für den „Raum Strausberg und Randberlin“ konnte man in der Ausgabe 22 einige Daten und Fakten zum Thema Armut in Deutschland lesen, die sich  offensichtlich auf den 3. Armuts- und Reichtumsbericht beziehen. Zum Schluss entgleist dem Autor jedoch die journalistische Sachlichkeit. Da es diesen Text online nicht zu lesen gibt, zitiere ich hier:

„Ein deutscher Obdachloser bezieht staatliche Sozialhilfezahlungen von circa 300 Euro pro Monat. Damit hat er ein Geldeinkommen, das höher ist als das Arbeitseinkommen eines ledigen Industriearbeiters in Ungarn, der einen Monatsnettolohn von 202 Euro bezieht, oder eines Arbeiters in der Slowakei, der 214 Euro pro Monat durch seine Arbeit verdient. Zusätzlich erhält der deutsche Obdachlose Unterkunft, Kleidung, medizinische Versorgung und oft auch Nahrung, kostenlos.“

Abgesehen davon, dass ein Großteil der Angaben nicht korrekt recherchiert ist, wird hier auf perfide Weise unterstellt, dass es sich der deutsche (?) Obdachlose (?) auf Kosten unseres Sozialsystems gut gehen lässt (ja quasi im Luxus lebt), während hart arbeitende Menschen mit weniger Geld auskommen müssen. Da hat der Autor die eingangs korrekt beschriebene Definition von relativer Armut (die sich am Durchschnittseinkommen eines Landes misst) offenbar gar nicht verstanden. Und wieso sucht er sich gerade die Gruppe wohnungsloser Menschen heraus? Da kann man nur spekulieren, welche Diskriminierungsgedanken hinter solch einem Artikel stehen. Eine Frage noch, Herr Dr. Donath: Dem ungarischen oder slowakischen Arbeiter geht’s doch super im Vergleich zu den hungernden Menschen in Bangladesch, oder???

„Der Sozialstaat wird rückgebaut“

In der heutigen Taz findet sich ein Interview mit dem Chefökonom des DGB zum Thema Sozialstaat und Arbeitslosigkeit. Lt. seiner Ansicht hat „die Agenda 2010 … mit dem Aufschwung genauso viel zu tun wie die Geburtenrate mit der Zahl der Störche“ – zumal der private Konsum trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs nicht in Schwung käme. Deutlich macht Hirschel im Interview, dass die Transferleistungen seit 1998 real um bis zu 13 % gekürzt wurden – durch die Absenkung der alten Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfeniveau, aber auch die Nicht-Anpassung anderer Leistungen an die steigenden Lebenshaltungskosten.

Link zum Interview in der Taz 

Sozialer Abstieg heißt jetzt Exklusion

In einem Beitrag in der Süddeutschen Zeitung vom 5.5. (online 4.5.) erfolgt eine kritische Reflexion des Begriffs „Soziale Exklusion“, wie er u. a. aktuell vom Soziologen Heinz Bude benutzt wird. Dadurch gehe  lt. Budes „Kollege“ Bertold Vogel die „Aufmerksamkeit für sozialstrukturelle Zwischentöne, für die Widersprüche und Uneindeutigkeiten“ verloren“. Man sei also entweder drinnen (inkludiert) oder draußen (exkludiert). Lebenskrisen wie Arbeitslosigkeit würden aber je nach Status ganz individuell verarbeitet und führten – gesamtgesellschaftlich gesehen – auch nicht nicht zum Zerfall des Sozialen.

Der Begriff Exklusion taugt nach dieser Definition nur noch zur Dramatisierung einer gesellschaftlichen Entwicklung und zur Verdeutlichung, dass Armut und Ausgrenzung nicht mehr nur ein „Randgruppenschicksal“ ist. Sicherlich gibt es individuelle Ressourcen und Bewältigungsstrategien, und nicht jede/r Arbeitslose ist arm und/oder ausgegrenzt. Fakt ist jedoch, dass mit einer Kumulation von Armutslagen und sozialen Benachteiligungen die Wahrscheinlichkeit wächst, „draußen“ zu sein – ganz ohne Zwischentöne, einfach subjektiv „abgehängt“.

Link zum Artikel in der SZ

Niedriglöhne in Deutschland

Das „Institut Arbeit und Qualifikation“ (IAQ) hat in einer Länderstudie über den Niedriglohnsektor besorgniserregende Befunde für Deutschland erhoben: 22 % der Beschäftigten sind Geringverdiener, dies entspricht 6,5 Millionen Menschen. Rund 2 Millionen davon verdienen weniger als 5 Euro/Stunde – in Großbritannien wäre dies unzulässig, da es eine gesetzliche Untergrenze gibt. Hartz IV habe die Situation noch verschärft, u. a. durch die Förderung der Minijobs. Die ForscherInnen sprechen sich für eine Stärkung der Tarifpolitik aus, um die mittleren Einkommen zu stabilisieren.

Link zur Zusammenfassung der IAQ-Forschungsergebnisse für Deutschland

5 % mehr Hartz IV

Lt. Pressemitteilung des Arbeitsministeriums soll die Einigung im öffentlichen Dienst auch den Arbeitslosengeld-II-EmpfängerInnen zugute kommen, Sie erhalten rückwirkend zum 1.1.08 5 % mehr, das sind für einen Alleinstehenden immerhin 17,35 Euro im Monat. Wie der Minister ebenfalls mitteilte, dürfen Alg-II-BezieherInnen  aber nicht besser gestellt sein als die sog. Normalbevölkerung. Da die MitarbeiterInnen im öffentlichen Dienst ihre 5 % Gehaltssteigerung mit 1/2 Stunde Mehrarbeit „erkauft“ haben, müssen auch Alg-II-BezieherInnen ab heute 1/2 Stunde wöchentlich mehr Zeit für die Arbeitssuche verwenden. Wie dies nachgeprüft werden kann, muss nun noch bei der Bundesagentur für Arbeit ausgetüftelt werden.

Link zur Pressemitteilung 

Anhebung des steuerfreien Existenzminimums gefordert

Lt. einer Notiz der taz fordert Michael Fuchs (CDU) die Anhebung des steuerfreien Existenzminimums von derzeit 7.664 Euro auf 8.200-8.400 Euro jährlich. Das hinter der Forderung stehende Anliegen sei sein Gerechtigkeitsempfinden, denn die Grundsicherung für Arbeitssuchende solle nicht höher liegen als das Existenzminimum für Steuerzahler. Immerhin geht sein Vorschlag nicht in die andere Richtung,  nämlich die Senkung  der Regelsätze, was ja auch schon mehrfach als Idee verbreitet wurde…

Link zur Meldung in der taz