Aufgrund mehrerer Armutsberichte dieser Tage kann und sollte Alarm geschlagen werden: Im Rahmen der europäischen Armutsberichterstattung wurde vom Statistischen Bundesamt mitgeteilt, dass 19,9 % der Menschen in Deutschland von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen sind. Gemessen wurde dies mithilfe eines Sozialindikators aus Armutsgefährdungsquote (< 60 % des Durchschnittseinkommens zur Verfügung), erheblicher materieller Entbehrung sowie sehr geringer Erwerbsbeteiligung (PM 1). In einer weiteren Pressemitteilung wurde gesondert zu den 15,8 % armutsgefährdeten Menschen darunter Stellung genommen (PM 2). Von einem positiven Trend dagegen berichtet die Bertelsmannstiftung, nämlich dem Absinken der Armutsrisikoquote von Kleinkindern unter drei Jahren auf 8,7 %. Nichtsdestotrotz sind in den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen bis zu 34,3 % (Berlin) der Kleinkinder von Armut betroffen. Indikator dieser Erhebung war das Leben in einer Bedarfsgemeinschaft nach SGB II ("Hartz IV"-Bezug).
Link zur Pressemitteilung (PM) 1
Link zur Pressemitteilung (PM) 2
Pressemitteilung der Bertelsmannstiftung
Archiv der Kategorie: Arbeit
Entwurf des 4. Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung liegt vor
Der Entwurf des 4. Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung liegt vor und wird derzeit in der Presse sowie Fachöffentlichkeit diskutiert. Die wichtigste Botschaft ist, dass die Ungleichheit in Deutschland wächst. So konzentriert sich das Nettogesamtvermögen auf die Reichen (53 % des Vermögens halten die reichsten 10 % der Bevölkerung, die untersten 50 % der Bevölkerung dagegen haben nur knapp 1 %). Die Armutsgefährdungsquote stabilisiert sich bei 15 %. Zwar sinkt die Zahl der Arbeitslosengeld-II-EmpfängerInnen, doch die Zahl der AufstockerInnen („working poor“) wächst. Der Berichtsentwurf ist mehr als 500 Seiten stark, eine Zusammenfassung findet sich auf den Seiten 7-48.
Immer mehr Menschen arbeiten für einen Niedriglohn
Wie das Statistische Bundesamt in einer aktuellen Pressemitteilung verkündet, steigt die Anzahl von Menschen, die für einen Niedriglohn arbeiten (weniger als zwei Drittel des mittleren Verdienstes aller Beschäftigten, für 2010 wurden 10,36 Euro/Stunde errechnet). 20,6 % aller Beschäftigten in Betrieben mit zehn und mehr Beschäftigten arbeiteten laut Statistischem Bundesamt 2010 für einen Niedriglohn. Im Jahr 2006 hatte der Anteil noch bei 18,7 % gelegen. Besonders betroffen waren TaxifahrerInnen (87,0 %), Friseurinnen und Friseure (85,6 %) sowie das Reinigungsgewerbe (81,5 %). Auch unter diesen Aspekten sollte die aktuelle Debatte um eine Reform des Rentensystems verstärkt diskutiert werden.
Statistik gut, Ursache schlecht: Jugendarbeitslosigkeit in Europa und Nordamerika
Eine aktuelle Studie der ILO (International Labour Organization) prognostiziert, dass die Jugendarbeitslosigkeit in Europa und Nordamerika sinken wird – von aktuell 17,5 % im Schnitt auf 15,6 % im Jahr 2017. Der Grund hierfür allerdings ist nach den Prognosen der ILO, dass sich immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene resigniert, weil chancenlos, vom Arbeitsmarkt zurückziehen. Schweden wird in dieser Hinsicht als Vorbild dargestellt, dort liegt die Arbeitslosenquote der Zielgruppe u. a. durch Beschäftigungsgarantien und Maßnahmen zur Qualifizierung wesentlich geringer als in den anderen untersuchten Industriestaaten.
Renten sinken, mehr RentnerInnen gehen zusätzlich zur Rente arbeiten
Eine Anfrage der Partei DIE LINKE an die Bundesregierung hat ergeben, dass die Renten bei neuen Altersrenten seit 2000 um sieben Prozent gesunken sind. Gleichzeitig gehen immer mehr RentnerInnen zusätzlich arbeiten – seit 2000 gibt es 60 Prozent mehr minijobbende Menschen im Rentenalter. Von ihnen sind 118.000 75 Jahre und älter. Gestritten wird nun darüber, ob dies die „Vorboten der heran rauschenden Welle der Altersarmut“ (Matthias Birkwald/DIE LINKE) sind oder ob – Tenor der Bundesregierung – immer mehr Menschen immer älter werden und daher nicht im Rentenalter auf (sinnstiftende) Arbeit verzichten möchten. Die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage steht noch nicht im Web-Portal des Bundestags, sie ist aber Anlage einer Stellungnahme der Partei DIE LINKE.
Arbeitslosigkeit: Im OECD-Vergleich steht Deutschland gut da
Im Mai 2012 waren lt. neuem OECD-Bericht durchschnittlich 7,9 % der Bevölkerung aller 34 OECD-Länder arbeitslos. Deutschland steht mit einer Arbeitslosenquote von 5,6 % im Vergleich daher gut da. Die OECD begründet die geringere Arbeitslosenquote Deutschlands mit Maßnahmen, die bereits VOR der aktuellen Finanzkrise getroffen wurden – womit nicht die Einführung von Hartz IV gemeint ist! Langzeitarbeitlose gibt es allerdings auch im Ländervergleich noch zu viele, fast jeder 2. Arbeitslose ist länger als ein Jahr ohne Arbeit.
Anstieg der Armut bei Erwerbstätigen und Arbeitslosen
Laut Daten des WSI-Forschers Eric Seils ist im europäischen Vergleich sowohl die Armut von Erwerbstätigen als auch von Arbeitslosen in Deutschland überproportional gestiegen. Der Anteil der sogenannten Working Poor stieg zwischen 2004 und 2009 um 2,2 %, die Armutsquote der Arbeitslosen sogar um 29 %. Insgesamt lagen 70 % der Arbeitslosen unter der Armutsgrenze (weniger als 60 % des Durchschnittseinkommens) – 25 % mehr als im EU-Durchschnitt!
Niedriglohn im Vormarsch
Wie eine aktuelle Studie des „Institut Arbeit und Qualifikation“ (IAQ) belegt, arbeitete 2010 fast 1/4 der Beschäftigten zum Niedriglohn. Die Niedriglohnschwelle liegt bei 2/3 des mittleren Stundenlohns, derzeit 9,15 Euro. Die Durchschnittslöhne im Niedriglohnsektor lagen dabei noch weit unter dieser Schwelle, nämlich bei 6,68 Euro in West- und 6,52 Euro pro Stunde in Ostdeutschland. 1,4 Millionen verdienten sogar weniger
als 5 Euro, wobei Ostdeutsche, Frauen und MinijobberInnen von solchen Niedrigstlöhnen überproportional betroffen sind. Das IAQ hat errechnet, dass bei Einführung eines gesetzliches Mindestlohnes von 8,50 Euro
jede/r fünfte Beschäftigte Anspruch auf eine Lohnerhöhung hätte!
Mehr Wettbewerbsfähigkeit durch Hartz IV?
Oft gelesen, oft bezweifelt – die Bundesregierung stellt die Hartz-IV-Reformen meist als Motor gegen Arbeitslosigkeit und für mehr Wettbewerbsfähigkeit dar. Ruth Berger weist nun anhand von Daten aus dem Statistischen Jahrbuch 2010 – immerhin der Bundesbehörde Statistisches Bundesamt – nach, dass dies alles nicht zutrifft, wenn man nur die Zahlen genau analysiert. So gebe es bspw. nur mehr Erwerbstätige, weil viele Vollzeitarbeitsplätze direkt oder indirekt in Teilzeit umgewidmet worden seien. Auch im euopäischen Vergleich steht Deutschland gar nicht als Musterknabe dar, so seien wir mit 80 % des BIP verschuldet, was nicht viel besser als Frankreich oder Großbritanninen und sogar schlechter als in einem Krisenland wie Spanien sei. Ein eigener Blick in die Statistik lohnt also immer…
Frauenarmut im Alter
In einer aktuellen Studie der Freien Universität Berlin (FU) weisen Barbara Riedmüller und Ulrike Schmalreck nach, dass Frauen – vor allem aufgrund von Unterbrechungen im Erwerbsverlauf, aber auch durch mehr Teilzeitjobs – im Alter schlechter abgesichert sind als Männer. Dabei haben die beiden Wissenschaftlerinnen in ihrer Untersuchung zu den Lebens- und Erwerbsverläufen von Frauen deutliche Ost-West-Unterschiede feststellen können: Ostfrauen arbeiten häufiger Vollzeit und sind durch die Erwerbstätigkeit der Frauen als „Staatsdoktrin“ (taz von heute) im Alter im Vorteil. Ihre Auswertung von Daten der Deutschen Rentenversicherung zeigt dabei auch begünstigende und hemmende Faktoren einer eigenständigen Alterssicherung der Frauen auf.
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