Im Ärzteblatt vom 16.12.22 werden die Ergebnisse einer multizentrischen Querschnittstudie mit 651 wohnungslosen Menschen vorgestellt. Die nicht überraschenden medizinischen Erkenntnisse sind eine überproportionale Betroffenheit von psychischen und somatischen Erkrankungen, aber auch ein erhebliches Defizit in der Versorgung wohnungsloser Menschen, insbesondere wohnungsloser Migrant_innen.
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Zusammenhänge zwischen sozialer Benachteiligung und Gesundheit
Wie das heute erschienene Journal of Health Monitoring vom Robert Koch Institut (RKI) aufzeigt, können mit dem German Index of Socioeconomic Deprivation (GISD) Zusammenhänge zwischen sozialer Benachteiligung und Gesundheit nachgewiesen werden: „Zusammenhangsanalysen zeigen, dass Männer in Kreisen mit der niedrigsten Deprivation eine etwa sechs Jahre, Frauen eine bis zu drei Jahre längere mittlere Lebenserwartung aufweisen als Personen aus Kreisen mit der höchsten Deprivation. Ein ähnlicher sozialer Gradient zeigt sich bei der Herz-Kreislauf-Mortalität und Lungenkrebsinzidenz“ (JoHM Nr. S5/2022, S. 1) . An methodischen Beispielen bestätige ich, „dass der GISD eine fruchtbare Ergänzung für die sozialepidemiologische Forschung und die Gesundheitsberichterstattung in Deutschland darstellt“ (ebd., S. 19).
Inflation als Armutstreiber
Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, wird die Inflationsrate im August 2022 voraussichtlich +7,9 % (zum Vorjahresmonat) betragen – ein Anstieg um 0,3 % im Vergleich zum Juli 2022. Während Dienstleistungen und Mieten nur mit 2,2 % und 1,8 % zu Buche schlagen, sind es bei den Energiekosten satte 35,6 % und bei Lebensmitteln 16,6 %. Laut einem Beitrag der taz vom 30.08.2022 prognostiziert der Banken-Verband, dass aktuell etwa 40 % der Haushalte in Deutschland schon jetzt so gut wie keine Ersparnisse haben. Bis zu 60 % würden in den nächsten Monaten angesichts der massiv gestiegenen Preise kaum etwas zurücklegen können. Die hohe Inflation wird damit zum Armutstreiber, da einkommensarme Menschen hier kaum Einsparmöglichkeiten haben.
Einkommensarmut 2021 auf Rekordniveau
Laut aktuellem Armutsbericht des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands stieg die Einkommensarmut in Deutschland 2021 auf ein Rekordniveau. Laut den Daten, die auf den amtlichen Erhebungen des Statistischen Bundesamts beruhen, waren 2021 ingesamt 16,6 % der Menschen in Deutschland einkommensarm (bzw. nach amtlicher Definition armutsgefährdet): Sie lagen mit ihrem nach Haushaltsgröße gewichtetem Einkommen unter 60 % des Durchschnittseinkommens. Laut dem Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider, seien die nach diversen soziodemografischen Merkmalen analysierten Befunde „erschütternd“, denn [n]och nie wurde auf der Basis des amtlichen Mikrozensus ein höherer Wert gemessen und noch nie hat sich die Armut in jüngerer Zeit so rasant ausgebreitet wie während der Pandemie” (s. Website-Kommentar zum Bericht). Der Verband fordert daher „umgehend ein neues Maßnahmenpaket, das bei den fürsorgerischen Leistungen ansetzen müsse, konkret den Regelsätzen in der Grundsicherung, bei Wohngeld und BAföG“ (ebd.).
Arme Studierende
30 % der Studierenden in Deutschland sind von Einkommensarmut betroffen, wie einer aktuellen Expertise der Paritätischen Forschungsstelle zu entnehmen ist. 4/5 sind es sogar, wenn nur die alleinlebenden Studierenden betrachtet werden. Daher brauche es weitreichende BAföG-Reformen, mit denen bspw. der Kreis der Berechtigten erhöht wird.
„Wer gewinnt? Wer verliert?“ Diskrepanz zwischen den Erwerbseinkommen von Männern und Frauen in Deutschland
Ein Forscher_innenteam der Freien Universität Berlin und dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung legt den dritten und abschließenden Teil einer Studie zu den Gewinner_innen und Verlierer_innen des strukturellen Wandels auf dem Arbeitsmarkt vor. Das Ergebnis zeigt, dass die Gender-Lücke im Bruttolebenserwerbseinkommen von heute Mitte-30-Jährigen rund 45 % beträgt. Dabei spielt der Familienkontext eine große Rolle, so verdienen Mütter im Vergleich mit Männern im Durchschnitt sogar 62 % weniger. Die Autor_innen schlussfolgern daher, dass statt monetärer Kompensation vor allem „verbesserte Kinderbetreuungsoptionen und ein entsprechender Kulturwandel in Unternehmen und Gesellschaft“ die Gender-Lücke schließen könnten.
Gerechter erben ist möglich
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) weist regelmäßig darauf hin, dass die Vermögen in Deutschland ungleich verteilt sind. So besitze das obere 0,1 % ein Fünftel des Vermögens, die untere Hälfte jedoch nichts. Das Institut hat nun einen Vorschlag konkretisiert, der seit Kurzem auch in der Politik diskutiert wird: Ein sogenanntes Grunderbe für 18-Jährige, das vom Staat finanziert wird. Kosten solle das Ganze 15 Milliarden Euro, finanziert u. a. durch die im OECD-Vergleich sehr niedrige Erbschaftssteuer.
Armutsbericht für das erste Pandemiejahr 2020
Der Paritätische legt aktuell den Armutsbericht für das erste Pandemiejahr 2020 vor. Laut den Daten des Statistischen Bundesamts hätte die Armutsquote (relative Einkommensarmut) 2020 einen Höchststand erreicht: 16,1 % der Bevölkerung (rund 13,4 Mio.) lagen unter der Armutsgrenze. Vor allem unter Selbstständigen hätte die Armut zugenommen. Der Wohlfahrtsverband appelliert an die Ampelkoalition, neben den in der Koalitionsvereinbarung angekündigten Maßnahmen wie die Einführung einer Kindergrundsicherung die Regelsätze in der Grundsicherung anzuheben.
Link zur Webseite des Paritäters mit weiteren Informationen
Armut von Alleinerziehenden weiterhin überproportional hoch
Laut einer aktuellen Studie stagniert das Armutsrisiko Alleinerziehender in Deutschland auf weiterhin hohem Niveau. So ist ihr Anteil unter den ALG-II-Beziehenden fast fünfmal höher als bei Paarfamilien mit Kindern (34 % vs. 7 %). Da 88 % der Alleinerziehenden weiblich sind, sind vor allem Mütter betroffen. Dabei sind sie häufiger erwerbstätig und auch häufiger in Vollzeit tätig als Mütter in Paarfamilien.
Neue Pisa-Studie zeigt Bildungsungleichheit in Deutschland auf
„In Deutschland sind im Bereich Lesekompetenz systematische Leistungsunterschiede zwischen Jungen und Mädchen sowie zwischen sozioökonomisch begünstigten und benachteiligten Schüler*innen festzustellen“, wie in den deutschlandspezifischen Ergebnissen des PISA-Berichts „21st-century readers“ der OECD gleich als erster Satz in der Zusammenfassung zu lesen ist. Deutschland schneidet dabei im Ländervergleich schlechter ab als der Durchschnitt, was die Bildungsungleichheit hinsichtlich des sozioökonomischen Status angeht.
Deutschlandspezifische Ergebnisse des PISA-Berichts „21st-century readers“