Zwei Forschungsberichte sind in den letzten Wochen erschienen, die im Kontext von Armut interessant sind:
Der Altersübergangsreport des Instituts für Arbeit und Qualifikation (IAQ) zeigt neben anderen Erkenntnissen, dass Langzeitarbeitslose, die in die Rente übergehen, oftmals so geringe Renten erhalten, dass sie unter dem Grundsicherungsbedarf liegen. Die positive Nachricht: Ihr Anteil an den Rentenzugängen ist (weiterhin) sinkend. Dafür steigt die Anzahl von Haushalten, denen wegen Nichtzahlung der Strom abgestellt wird, wie eine Befragung der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen ergeben hat. Hochgerechnet schätzen die ForscherInnen, dass bundesweit 2010 600.000 Haushalten der Strom abgedreht wurde.
Archiv der Kategorie: Daten + Fakten
Osterurlaub
Der Armutsblog veranschiedet sich in einen längeren Osterurlaub und ist ab Mai wieder mit Nachrichten und Befunden zum Thema Armut für Sie da!
Herzliche Grüße
Susanne Gerull
Niedriglohn im Vormarsch
Wie eine aktuelle Studie des „Institut Arbeit und Qualifikation“ (IAQ) belegt, arbeitete 2010 fast 1/4 der Beschäftigten zum Niedriglohn. Die Niedriglohnschwelle liegt bei 2/3 des mittleren Stundenlohns, derzeit 9,15 Euro. Die Durchschnittslöhne im Niedriglohnsektor lagen dabei noch weit unter dieser Schwelle, nämlich bei 6,68 Euro in West- und 6,52 Euro pro Stunde in Ostdeutschland. 1,4 Millionen verdienten sogar weniger
als 5 Euro, wobei Ostdeutsche, Frauen und MinijobberInnen von solchen Niedrigstlöhnen überproportional betroffen sind. Das IAQ hat errechnet, dass bei Einführung eines gesetzliches Mindestlohnes von 8,50 Euro
jede/r fünfte Beschäftigte Anspruch auf eine Lohnerhöhung hätte!
Keine Chancengleichheit auf Bildung in Deutschland
Eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung weist nach, dass es in Deutschland keine Chancengleichheit, noch nicht einmal Chancengerechtigkeit, im Bildungsbereich gibt. Neben den bereits bekannten Problemen wie dem Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungserfolg zeigt die Studie auf, dass eine Durchlässigkeit des Bildungssystems in der Regel nur im Abstieg, nicht aber im Aufstieg verzeichnet werden kann. Aus einer Förderschule kommt bspw. fast niemand mehr heraus. Dabei konnten erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesländern festgestellt werden, so weise Sachsen ein „vergleichsweise durchlässiges“ Schulsystem auf. IFS-Direktor Bos wirbt in der Pressemitteilung für eine „größere Offenheit der Länder gegenüber vergleichenden Länderstudien“. Anders gesagt: Die Bundesländer mauern und stellen ungern Daten zur Verfügung – ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Kinderarmut: Keine Entwarnung!
Wie eine aktuelle Studie des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands (DPWV) belegt, gibt es entgegen anderslautender Statements keine Entwarnung beim Thema Kinderarmut. Zwar lebten Ende 2011 fast 15 % weniger Kinder im Arbeitslosengeld-II-Bezug als noch 2006, dies sei aber auf die Abnahme der Gesamtkinderzahl in Deutschland zurückzuführen. Der Anteil armer Kinder, die auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen sind, ist weiterhin auf hohem Niveau: Jedes siebte Kind unter 15 Jahren lebt von Hartz IV, in Ostdeutschland sogar jedes vierte Kind. Dabei zeichnet sich laut DPWV ein positiver Trend in Ostdeutschland, hier sinkt die Quote sukzessive. Schlusslicht bleibt weiterhin Berlin, hier lebt jedes dritte Kind von Hartz IV. Notwendige Maßnahmen zur Reduzierung der Kinderarmut sind laut DPWV bspw. passgenaue Kinderbetreuungsmöglichkeiten und mehr familienfreundliche Arbeitsplätze.
Mehr Wettbewerbsfähigkeit durch Hartz IV?
Oft gelesen, oft bezweifelt – die Bundesregierung stellt die Hartz-IV-Reformen meist als Motor gegen Arbeitslosigkeit und für mehr Wettbewerbsfähigkeit dar. Ruth Berger weist nun anhand von Daten aus dem Statistischen Jahrbuch 2010 – immerhin der Bundesbehörde Statistisches Bundesamt – nach, dass dies alles nicht zutrifft, wenn man nur die Zahlen genau analysiert. So gebe es bspw. nur mehr Erwerbstätige, weil viele Vollzeitarbeitsplätze direkt oder indirekt in Teilzeit umgewidmet worden seien. Auch im euopäischen Vergleich steht Deutschland gar nicht als Musterknabe dar, so seien wir mit 80 % des BIP verschuldet, was nicht viel besser als Frankreich oder Großbritanninen und sogar schlechter als in einem Krisenland wie Spanien sei. Ein eigener Blick in die Statistik lohnt also immer…
Kinderarmut – Unter-Dreijährige am stärksten betroffen
Eine neue Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt auf, dass die Unter-Dreijährigen in Deutschland am stärksten von Kinderarmut betroffen sind. Gleichzeitig bestehen dabei große Unterschiede zwischen den Bundesländern und einzelnen Regionen Deutschlands. So verzeichnete Sachsen-Anhalt 2010 mit 33,2 % bei den Unter-Dreijährigen die höchste und Bayern mit 10,1 % die geringste Armutsquote, Unter „Kinderarmut“ wurde dabei das Aufwachsen in SGB-II-Haushalten verstanden. Die Bertelsmann-Stiftung weist als Konsequenz u. a. darauf hin, dass mehr Geld für gute Kitas erforderlich ist und in Brennpunkte investiert werden muss, um Chancengleichheit zu ermöglichen.
Kinderarmut nicht gesunken wie behauptet
In der Süddeutschen Zeitung konnte man gestern lesen, dass die Kinderarmut in Deutschland erheblich gesunken sei – von September 2006 bis September 2011 seien 257 000 Minderjährige unter 15 Jahren weniger im Leistungsbezug, wie die Bundesagentur für Arbeit mitgeteilt hatte. Nun rudert die Zeitung aufgrund der Intervention des Paritätischen Gesamtverbands zurück: Die absolute Zahl sage nichts über den Anteil armer Kinder aus, so sei der Anteil von Unter-15-Jährigen im Hartz-IV-Bezug lediglich von 15 % 2006 auf 14,9 % 2011 gesunken. Allerdings gebe es mittlerweile 750 000 Kinder unter 15 Jahren weniger – so schön kann mit Zahlen getrickst werden!
Frauenarmut im Alter
In einer aktuellen Studie der Freien Universität Berlin (FU) weisen Barbara Riedmüller und Ulrike Schmalreck nach, dass Frauen – vor allem aufgrund von Unterbrechungen im Erwerbsverlauf, aber auch durch mehr Teilzeitjobs – im Alter schlechter abgesichert sind als Männer. Dabei haben die beiden Wissenschaftlerinnen in ihrer Untersuchung zu den Lebens- und Erwerbsverläufen von Frauen deutliche Ost-West-Unterschiede feststellen können: Ostfrauen arbeiten häufiger Vollzeit und sind durch die Erwerbstätigkeit der Frauen als „Staatsdoktrin“ (taz von heute) im Alter im Vorteil. Ihre Auswertung von Daten der Deutschen Rentenversicherung zeigt dabei auch begünstigende und hemmende Faktoren einer eigenständigen Alterssicherung der Frauen auf.
Link zur Studie
Neuer Integrationsbericht zeigt weiterhin deutlich erhöhtes Armutsrisiko bei Migrationshintergrund
Wie der zweite „Integrationsindikatorenbericht“ der Bundesregierung zeigt, liegt die Armutsrisikoquote der Bevölkerung mit Migrationshintergrund mit 26,2 % deutlich über der der Gesamtbevölkerung mit 14,5 %. Auch der Anteil der Ausländerinnen und Ausländer, die auf Mindestsicherungsleistungen angewiesen sind, sei mit 20,9 % mehr als doppelt so hoch wie in der Gesamtbevölkerung (9,4 %), jeweils Stand 2010. Der über 250 Seiten starke Bericht beleuchtet detailliert die Lebenslagen von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland. Wie die Integrationsbeauftragte Böhmer in ihrem Vorwort feststellt, bestehen noch deutliche Unterschiede zwischen der Bevölkerung mit und ohne Migrationshintergrund, was die Teilhabe angeht. In vielen Bereichen wie der Bildung seien aber auch deutliche Fortschritte erzielt worden .