Wie Guido Westerwelle in der letzten (online nicht verfügbaren) Bild am Sonntag mitgeteilt hat, entscheidet das Kabinett morgen über Verschärfungen für die Gruppe der Unter-25-Jährigen im Rahmen der SGB-II-Leistungen. Sie sollen zukünftig gezwungen werden können, jedes Arbeits-, Aus- oder Fortbildungsangebot anzunehmen. Während die ZEIT dies lediglich als neutrale Information ins Netz stellt, schreibt die taz in einem Kommentar von „Arbeitszwang“ und und einer Stigmatisierung der jungen Erwachsenen als „renitente Arbeitsverweigerer“. Entscheiden Sie selbst!
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Die Kultur-Tafel
Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. In der heutigen Taz wird über die Berliner „Kulturloge“ berichtet, die ab 26.4. Arbeitslosen und GeringverdienerInnen den Zugang zur Berliner Kultur erleichtern möchte – durch kostenlose Tickets, die als Freitickets von diversen Kultureinrichtungen zur Verfügung gestellt werden sollen. U. a. bei der Berliner Tafel kann man sich mit entsprechendem Einkommensnachweis hierfür anmelden. Vorteil: An den Abendkassen entfällt das würdelose Nachweisen des Einkommens, um ein ermäßigtes Ticket zu ergattern.
Heuschrecken und Mieterschutz
Die früher einmal gemeinnützige Wohungsbaugesellschaft GSW in Berlin ist mittlerweile eine Aktiengesellschaft der Finanzinvestoren Cerberus und Whitehall und hat bereits 18.000 Wohnungen aus dem Bestand verkauft. Nun wollen sie an die Börse, was Mieterverbände Schlimmstes befürchten lässt: Die weitere Verdrängung der alteingesessenen MieterInnen, weitere Mieterhöhungen etc. werden nicht ausbleiben. Im Kommentar der Frankfurter Rundschau wird das Verhalten der rot-roten Berliner Regierung, die z. B. den Kauf einer Sperrminorität ablehnt, als „weiterer Beleg für mangelnde politische Verantwortung und Weitsicht“ bezeichnet – und als Entscheidung für Kasse machen, gegen Mieterschutz.
Osterpause!
Der ArmutsBlog verabschiedet sich in eine kurze Osterpause und ist danach wieder mit aktuellen Studien, Berichten und Meinungen zum Thema Armut für Sie da!
Arbeit kann krank machen
Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) legt aktuell eine Studie zu „psychischen Belastungen in der modernen Arbeitswelt“ vor. Arbeitslosigkeit kann gravierende gesundheitliche Folgen nach sich ziehen, aber auch Arbeit kann krank machen, vor allem im psychischen Bereich. So sei die Zahl psychischer Erkrankungen aufgrund belastender Arbeitsbedingungen gestiegen. „Die psychische Gesundheit des Menschen ist dann besonders gefährdet, wenn er an seinem Arbeitsplatz zwischen hoch verdichteten Anforderungen und komplexen Abhängigkeiten erlebt, dass er mit seinen Entscheidungen und Handlungen wenig oder nichts bewirkt“, wird BPtK-Präsident Richter in einer Pressemitteilung der BPtK zitiert. Vor allem die Dienstleistungsbranche ist betroffen. Empfohlen wird die Verstärkung betrieblicher Prävention und – naheliegend für die BPtK – für die Betroffenen eine Psychotherapie.
Frauen in Führungspositionen verdienen 28 % weniger als Männer
Hat es eine Frau einmal in eine Spitzenposition geschafft, verdient sie dort im Schnitt 28 % weniger als Männer in vergleichbaren Positionen. Dies teilte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einer Pressemitteilung zum „Equal Pay Day“ am 26.3. mit. Damit ist der Einkommensunterschied hier noch höher als allgemein in Deutschland (23,2 %). Auch im europäischen Vergleich mach Deutschland keine gute Figur, denn die Verdienstungleichheit liegt dort bei durchschnittlich 18 %.
Glücklicher in gerechteren Gesellschaften
Eine vergleichende Studie in 21 reichen Industrieländern hat ergeben, dass die Menschen in gerechteren Gesellschaften glücklicher sind als in denen mit großer sozialer Ungleichheit. Bei größerem Abstand zwischen arm und reich gibt es nach der Studie u. a. mehr Gewalt , schlechtere Schulabschlüsse, mehr soziale und gesundheitliche Probleme. Interessanterweise wirke sich die Ungleichheit nicht nur negativ auf die arme, sondern auch auf die reiche Bevölkerung aus und verursache großen wirtschaftlichen Schaden. Im Interview mit der Tageszeitung kommt die britische Sozialepidemologin Kate Picket daher zu dem Schluss: „Ungleichheit zersetzt die soziale Struktur in Gesellschaften“.
Kein gleicher Lohn für gleiche Arbeit
Wie die Europäische Kommission im aktuellen Eurobarometer feststellt, verdienen Frauen im EU-Durchschnitt 18 % weniger als ihre männlichen Kollegen. In Deutschland sind es sogar 23,6 % weniger – vor allem durch die überproportional hohe Teilzeitarbeit von Frauen. Die neue Kommissarin für Justiz und Grundrechte, Viviane Reding, stellt dazu fest, dass dies nicht nur unfair ist, sondern auch das Wirtschaftswachstum behindert. Eine „Charta für Frauen“ soll in den nächsten fünf Jahren als neue EU-Strategie zur Verbesserung der Gleichstellung von Frauen und Männern entwickelt werden.
Studie widerlegt Westerwelle
Wie eine aktuelle Studie des DPWV belegt, ist Westerwelles Debatte über das Lohnabstandsgebot unseriös geführt. Westerwelle hatte vorgerechnet, dass GeringverdienerInnen z. T. weniger Geld zur Verfügung haben als Hartz-IV-BezieherInnen und dabei Ansprüche der GeringverdienerInnen auf Wohngeld, Kindergeldzuschläge etc. unter den Tisch fallen lassen. In der Studie wird nun anhand von 196 Beispielrechnungen belegt: „Wer in Deutschland Vollzeit arbeitet, hat mehr als der, der nicht arbeitet.“ (DPWV).
Im europäischen Vergleich eher geringe Sozialleistungen in Deutschland
Westerwelle und andere PolitikerInnen sollten ab und zu die einschlägigen Untersuchungen lesen (das ist optimistisch gedacht, viel schlimmer ist die Vermutung, dass sie es tun und sie bewusst ignorieren!): Wie die OECD in einer aktuellen vergleichenden Studie herausgefunden hat, sind die Sozialleistungen für Langzeitarbeitslose in Deutschland absoluter Durchschnitt – im europäischen Vergleich sogar eher gering! So erhält ein Langzeitarbeitsloser in Deutschland 36 % seines früheren Nettoeinkommens durch Sozialleistungen wie Hartz IV. In den Niederlanden sind es 61 %! Lediglich Alleinerziehende sind in Deutschland besser gestellt als der Durchschnitt.