„Wie sozial gerecht geht es Ihrer Meinung nach in Deutschland im Allgemeinen zu?“ Über einen Zeitraum von 10 Tagen stellte das Berliner Meinungsforschungsinstitut Civey insgesamt 5.037 Bundesbürger_innen diese Frage. Die repräsentative Umfrage kam zu dem Ergebnis: 37,5 Prozent der Deutschen empfinden Deutschland als „eher ungerecht“, 24,2 Prozent als „sehr ungerecht“. Nur 37,5 Prozent der Deutschen halten dieses Land für sozial gerecht.
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Immer mehr arm trotz Arbeit
Laut einer internationalen Vergleichsstudie hat sich europaweit der Anteil der sogenannten „Working Poor“ massiv erhöht. Deutschland liegt im Mittelfeld – und das bei einer Verdopplung der Menschen im Zeitraum 2004 bis 2014, die trotz Erwerbsarbeit von Einkommensarmut betroffen sind. Ein Grund hierfür sei, dass arbeitslose Menschen in Deutschland permanent unter Druck stehen, auch eine schlecht entlohnte Arbeit anzunehme. Das immer wieder von Regierungsseite aus beschworene Beschäftigungswachstum gründet sich lt. den Forscher_innen vor allem auf eine Zunahme an Teilzeit – und Niedriglohnstellen.
Zukünftig jede_r 5. Neurentner_in von Altersarmut bedroht
Nach einer Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung ist ab 2036 jede_r 5. Neurentner_in von Altersarmut bedroht. Am stärksten betroffen sind demnach alleinstehende Frauen, Niedrigqualifizierte und Langzeitarbeitslose. Auch starke regionale Unterschiede wurden mit der Studie identifiziert. So wird sich die Grundsicherungsquote nach den Berechnungen für Neurentner_innen aus den ostdeutschen Bundesländern von 5 auf 11 % verdoppeln, für diejenigen aus den westdeutschen nur von 5,5, auf 6 %. Schlussfolgernd wird u. a. ein Umbau des Alterssicherungssystems gefordert.
Kinderarmut ungleich verteilt in Deutschland
Wie eine Studie im Auftrag von Unicef ergab, ist die Kinderarmut in Deutschland regional ungleich ausgeprägt. Trotz guter Bedingungen für Kinder im internationalen Vergleich wachsen bspw. zwischen 30 und 35 Prozent der Kinder in Teilen des Ruhrgebiets und Berlin unter drei Jahren in Haushalten auf, die von Hartz IV leben. Ansonsten zeigt die Studie die bekannten Risikofaktoren wie Kinder in Alleinerziehenden-Haushalten und/oder solchen mit Zuwanderungsstatus und niedriger formaler Bildung auf. Eine der Empfehlungen von Unicef ist die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz.
Kinderarmut ist vor allem die Armut minderjähriger Geflüchteter
Wie eine aktuelle Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) ergeben hat, basiert die Zunahme der Kinderarmut in Deutschland vor allem auf der Armut minderjähriger Geflüchteter. Die Armutsquote (< 60 % des Durchschnittseinkommens) stieg insgesamt von 19,0 % 2014 auf 19,7 % 2015. Das Armutsrisiko von Kindern und Jugendlichen ohne Migrationshintergrund ist allerdings in diesem Zeitraum leicht gesunken und auch bei Kindern, die zwar einen Migrationshintergrund haben, aber in Deutschland geboren wurden, ist keine nennenswerte Veränderung des Armutsrisikos festzustellen. Bei den nach Deutschland eingewanderten Minderjährigen dagegen ist die Armut zwischen 2011 und 2015 von 35,7 auf 48,9 Prozent gestiegen.
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Der 5. Armuts- und Reichtumsbericht ist da – zensiert?
Der 5. Armuts- und Reichtumsbericht ist erschienen und noch vehementer als schon beim letzten steht das böse Wort „Zensur“ im Raum. Eigentlich in der Mitte der Legislaturperiode fällig, hat der Bericht gerade noch vor den Neuwahlen das Licht der Öffentlichkeit erblickt. „Eine insgesamt positive Entwicklung der sozialen Lage in Deutschland“ liest das Bundesministerium für Arbeit und Soziales aus dem Bericht. Armut sei nur gefühlt gestiegen. Dagegen steht die Kritik u. a. des DPWV, „der neue Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung belege … faktenreich die zunehmende Ungleichheit von Einkommen und Vermögen“. Unangenehme Befunde seien zudem aus dem Bericht gestrichen worden. Machen Sie sich selbst ein Bild! Und wem 704 Seiten zu viel Lektüre sind – es gibt auch eine Kurzfassung…
Fast eine Million Menschen erhalten seit Einführung des SGB II durchgängig Arbeitslosengeld II
Wie eine aktuelle Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ergeben hat, erhalten fast eine Million Menschen seit Einführung des SGB II durchgängig Arbeitslosengeld II, konnten also trotz prinzipieller Erwerbsfähigkeit nicht auf den Arbeitsmarkt vermittelt werden. Unter ihnen sind viele, die keinen formalen Bildungsabschluss haben bzw. als gering qualifiziert gelten. Lediglich einem guten Viertel gelingt es, den Leistungsbezug durch die Aufnahme einer ungeförderten Beschäftigung vergleichsweise schnell zu verlassen.
Unliebsame Befunde beim Armuts- und Reichtumsbericht?
Über die Medien ist es schon durchgesickert: Auch in dieser Legislaturperiode wird der noch nicht offiziell publizierte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung kritisiert, weil unliebsame Befunde wie zu Kinderarmut und Wohnungsnot zugunsten von „Erfolgsmeldungen“ im Bericht der Regierung „versteckt“ werden. Eine Pressemitteilung der Diakone Deutschland prangert dies an.
Noch keine Chancengleichheit in der Bildung
Die aktuellen Ergebnisse vom Länderranking im Rahmen der Pisa-Studie von 2015 lassen Deutschland ganz gut aussehen: So liegt Deutschland an 16. Stelle von 71 sowie die Schüler_innen in allen geprüften Bereichen über dem OECD-Durchschnitt. Was die Chancengleichheit angeht, sieht es allerdings nicht so gut aus: Weiterhin ist sowohl eine Geschlechterungleichheit als auch Benachteiligung von Kindern aus sogenannten bildungsfernen Haushalten zu verzeichnen. Diese „Sozialvererbung“ in Deutschland wurde schon bei der ersten Pisa-Studie vor 15 Jahren kritisiert, wie ein taz-Artikel zum Thema aufzeigt.
Soziale Gerechtigkeit in der EU
Im Auftrag der Bertelsmannstiftung wurde soeben ein Bericht zur Sozialen Gerechtigkeit in der EU vorgelegt. Die wesentlichen Erkenntnisse: Die Teilhabechancen der Menschen haben sich in den meisten Ländern verbessert, liegen aber noch unter dem Vorkrisenniveau. Armut und Ausgrenzung sind noch immer auf einem besorgniserregenden Niveau und Kinder und Jugendliche sind hiervon besonders betroffen. Im Ländervergleich liegt Deutschland beim Gesamtindex „Soziale Gerechtigkeit“ auf Platz 7 von 28 Mitgliedsstaaten. Platz 1 wird von Schweden besetzt und am unteren Ende befindet sich Griechenland. Die Autor_innen der Studie empfehlen einen multidimensionalen Ansatz für die Sicherstellung von mehr Teilhabegerechtigkeit und sprechen konkrete Empfehlungen aus.