In einem Beitrag in der heutigen Frankfurter Rundschau stellt der Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge etwas provokant fest: „Bildung schützt vor Armut nicht“. Dabei stellt er nicht infrage, dass Bildung wichtig ist, sondern wendet sich gegen die „Pädagogisierung der Armut“ und die „Mythologisierung der Bildung“, wenn dies in Form „leerer Bildungsversprechen“ und „illusionärer Aufstiegshoffnungen“ passiert. „Geld ist weiß Gott nicht alles, aber ohne Geld sind die meisten kulturellen und Bildungsambitionen nicht viel wert!“ – und so fordert Butterwegge in seinem Beitrag zunächst und vor allem, die Reichen stärker zur Kasse zu bitten und damit hilfebedürftigen Familien ihren Lebensunterhalt zu sichern – und zwar auf einem anderen Niveau als heute, wo für Bildung 0 Cent und für Kindernahrung völlig unzureichende Sätze vorgesehen sind.
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Aktionsplan der SPD gegen Kinderarmut
In ihrem am 09. Juni bekanntgegebenen Aktionsplan gegen Kinderarmut stellt die SPD u. a. folgende Maßnahmen/Handlungsansätze vor: Ausbau von Kindertagesstätten zu Eltern-Kind-Zentren, Verbesserung der Betreuungsqualität und Sicherung eines gesundes Mittagessens für alle Kinder, gebührenfreie Bildung von der Kita bis zur Hochschule, Ableitung der Regelsätze vom Bedarf sowie die Einberufuzng einer Nationalen Kinderkonferenz. Dabei betont die SPD, bereits in den vergangenen Legislaturperioden einen Paradigmenwechsel in der Familien- und Bildungspolitik eingeleitet zu haben und gegen den Widerstand der CDU auch weiter fortsetzen zu wollen. So wird (natürlich) auch der Aktionsplan gegen Kinderarmut zur parteipolitischen Profilierung genutzt.
Diskriminierung von Wohnungslosen im Lokalanzeiger
Im BAB Lokalanzeiger für den „Raum Strausberg und Randberlin“ konnte man in der Ausgabe 22 einige Daten und Fakten zum Thema Armut in Deutschland lesen, die sich offensichtlich auf den 3. Armuts- und Reichtumsbericht beziehen. Zum Schluss entgleist dem Autor jedoch die journalistische Sachlichkeit. Da es diesen Text online nicht zu lesen gibt, zitiere ich hier:
„Ein deutscher Obdachloser bezieht staatliche Sozialhilfezahlungen von circa 300 Euro pro Monat. Damit hat er ein Geldeinkommen, das höher ist als das Arbeitseinkommen eines ledigen Industriearbeiters in Ungarn, der einen Monatsnettolohn von 202 Euro bezieht, oder eines Arbeiters in der Slowakei, der 214 Euro pro Monat durch seine Arbeit verdient. Zusätzlich erhält der deutsche Obdachlose Unterkunft, Kleidung, medizinische Versorgung und oft auch Nahrung, kostenlos.“
Abgesehen davon, dass ein Großteil der Angaben nicht korrekt recherchiert ist, wird hier auf perfide Weise unterstellt, dass es sich der deutsche (?) Obdachlose (?) auf Kosten unseres Sozialsystems gut gehen lässt (ja quasi im Luxus lebt), während hart arbeitende Menschen mit weniger Geld auskommen müssen. Da hat der Autor die eingangs korrekt beschriebene Definition von relativer Armut (die sich am Durchschnittseinkommen eines Landes misst) offenbar gar nicht verstanden. Und wieso sucht er sich gerade die Gruppe wohnungsloser Menschen heraus? Da kann man nur spekulieren, welche Diskriminierungsgedanken hinter solch einem Artikel stehen. Eine Frage noch, Herr Dr. Donath: Dem ungarischen oder slowakischen Arbeiter geht’s doch super im Vergleich zu den hungernden Menschen in Bangladesch, oder???
Spenden fürs Jobcenter!
In einem Beitrag der Frankfurter Rundschau (FR) konnte man vor einigen Monaten die Erzählung von Pauline, 11 Jahre, nachlesen: „Wir sind arm“. Ein freundlicher Mensch wollte der Familie etwas Gutes tun und spendete insgesamt 250 Euro. Durch einen anonymen Hinweis wurde das Jobcenter Rostock auf die Spende aufmerksam und rechnete das Geld auf die monatliche Unterstützung an. Durch die Intervention des Spenders, der u. a. seinen Parteifreund Kurt Beck einschaltete, sieht das Jobcenter nun doch von der Rückforderung ab – es handelt sich bei „Spenden und angemessenen Geschenken zu besonderen Anlässen“ nämlich immer um eine Einzelfallentscheidung. Fragt sich nun nur noch, welcher Denunziant der kleinen Pauline die 250 Euro nicht gönnte.
„Der Sozialstaat wird rückgebaut“
In der heutigen Taz findet sich ein Interview mit dem Chefökonom des DGB zum Thema Sozialstaat und Arbeitslosigkeit. Lt. seiner Ansicht hat „die Agenda 2010 … mit dem Aufschwung genauso viel zu tun wie die Geburtenrate mit der Zahl der Störche“ – zumal der private Konsum trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs nicht in Schwung käme. Deutlich macht Hirschel im Interview, dass die Transferleistungen seit 1998 real um bis zu 13 % gekürzt wurden – durch die Absenkung der alten Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfeniveau, aber auch die Nicht-Anpassung anderer Leistungen an die steigenden Lebenshaltungskosten.
3. Armuts- und Reichtumsbericht vorgestellt
Lt. diversen Tageszeitungen wird heute der 3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung der Öffentlichkeit vorgestellt. Auf der Seite des Bundesministeriums ist er heute Morgen noch nicht eingestellt gewesen (ich bleibe dran!). Wesentlichstes Ergebnis soll sein: Jede/r Achte ist arm, jede/r Vierte wäre von Armut betroffen, wenn die staatlichen Transferzahlungen wegfallen würden. Die Schere zwischen arm und reich ist weiter aufgegangen.
Details folgen, sobald der Bericht verfügbar ist.
Das Armutsrisiko für Ältere steigt
Wie der Tagesspiegel und andere Medien aktuell berichten, hat eine Studie des DGB das Ansteigen des Armutsrisikos für ältere Menschen belegt. So stieg die Zahl der älteren Hilfebedürftigen (50-64-Jährige) seit Einführung von Hartz IV bis Ende 2007 um mehr als 22 %, dieser Anstieg ist mehr als doppelt so hoch wie bei den anderen Altersgruppen. Auf der Seite des DGB ist die Studie (noch) nicht verfügbar.
Aktion Zahltag
Im Oktober 2007 fand die erste „Aktion Zahltag“ in Köln statt, die seitdem von vielen Erwerbslosengruppen und sonstigen Aktiven in anderen Städten wiederholt wurde. Nachdem in Köln lt. Kampagnenwebsite über 20 Betroffene ihre Ansprüche im Rahmen der Aktion geltend machen konnten, haben bspw. in Berlin am 24.4. rund 50 AktivistInnen im JobCenter Friedrichshain-Kreuzberg ein Gratisbuffet aufgebaut. Mehr zu bereits stattgefunden und geplanten Aktionen im Internet.
BSG: Arbeitslosengeld II liegt über dem Existenzminimum
Lt. einem Artikel in der heutigen Frankfurter Rundschau hat das Bundessozialgericht am Dienstag in einem Grundsatzurteil entschieden, dass auch Arbeitslosengeld-II-BezieherInnen Zuzahlungen zu Arzneimitteln, Krankenhauskosten u. Ä. leisten müssen. „Das Arbeitslosengeld II liegt über dem Existenzminimum“, zitiert das Blatt den Gerichtspräsidenten, womit eine Zuzahlung von (im verhandelten Fall) 3,45 Euro monatlich möglich und zumutbar sei. Das Urteil mit dem Aktenzeichen B 1 KR 10/07 R steht online noch nicht zur Verfügung.
Niedriglöhne in Deutschland
Das „Institut Arbeit und Qualifikation“ (IAQ) hat in einer Länderstudie über den Niedriglohnsektor besorgniserregende Befunde für Deutschland erhoben: 22 % der Beschäftigten sind Geringverdiener, dies entspricht 6,5 Millionen Menschen. Rund 2 Millionen davon verdienen weniger als 5 Euro/Stunde – in Großbritannien wäre dies unzulässig, da es eine gesetzliche Untergrenze gibt. Hartz IV habe die Situation noch verschärft, u. a. durch die Förderung der Minijobs. Die ForscherInnen sprechen sich für eine Stärkung der Tarifpolitik aus, um die mittleren Einkommen zu stabilisieren.
Link zur Zusammenfassung der IAQ-Forschungsergebnisse für Deutschland