Wie im neuesten Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) festgestellt wird, sind die Sanktionen gegen junge Arbeitslose im SGB II zu scharf. Die sogenannten „U 25“ werden schärfer und häufiger sanktioniert, auch die Unterkunftskosten können neben der Regelleistung gestrichen werden – ein Wohnungsverlust droht. Die vom IAB befragten Fachkräfte sehen die bestehenden Sanktionsregelungen z. T. als zu scharf an. Letztendlich stellt das IAB die Frage: „Darf Hilfebedürftigen die Grundsicherung, ob anteilig oder ganz, durch Sanktionen entzogen werden? Oder muss Arbeitsmarktpolitik das Existenzminimum respektieren – auch wenn sich Leistungsbezieher/-innen regelwidrig verhalten?“
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Mehr Aufstocker im Alg-II-Bezug
Wie viele Medien gestern und heute berichten, liegt der Nachrichtenagentur dpa ein neuer Statistikbericht der Bundesagentur für Arbeit vor, nach dem die Zahl der Aufstocker (Lohn plus Alg II) wächst – von 1,321 Millionen 2008 auf 1,325 Millionen 2009. Der Statistikbericht ist auf den Seiten der Bundesagentur noch nicht verfügbar. Wie bspw. der Focus online berichtet, hat vor allem die Zahl der Aufstocker mit einem Einkommen von weniger als 400 Euro zugenommen, während es weniger Menschen geworden sind, die bei einem Einkommen von mehr als 800 Euro auf ergänzende Leistungen angewiesen waren. Dafür sei die Zahl der Selbstständigen im Alg-II-Bezug ebenfalls gestiegen, nämlich von 72.000 auf mehr als 111.000.
Arbeitsangebote oder Arbeitszwang?
Wie Guido Westerwelle in der letzten (online nicht verfügbaren) Bild am Sonntag mitgeteilt hat, entscheidet das Kabinett morgen über Verschärfungen für die Gruppe der Unter-25-Jährigen im Rahmen der SGB-II-Leistungen. Sie sollen zukünftig gezwungen werden können, jedes Arbeits-, Aus- oder Fortbildungsangebot anzunehmen. Während die ZEIT dies lediglich als neutrale Information ins Netz stellt, schreibt die taz in einem Kommentar von „Arbeitszwang“ und und einer Stigmatisierung der jungen Erwachsenen als „renitente Arbeitsverweigerer“. Entscheiden Sie selbst!
Die Kultur-Tafel
Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. In der heutigen Taz wird über die Berliner „Kulturloge“ berichtet, die ab 26.4. Arbeitslosen und GeringverdienerInnen den Zugang zur Berliner Kultur erleichtern möchte – durch kostenlose Tickets, die als Freitickets von diversen Kultureinrichtungen zur Verfügung gestellt werden sollen. U. a. bei der Berliner Tafel kann man sich mit entsprechendem Einkommensnachweis hierfür anmelden. Vorteil: An den Abendkassen entfällt das würdelose Nachweisen des Einkommens, um ein ermäßigtes Ticket zu ergattern.
Studie widerlegt Westerwelle
Wie eine aktuelle Studie des DPWV belegt, ist Westerwelles Debatte über das Lohnabstandsgebot unseriös geführt. Westerwelle hatte vorgerechnet, dass GeringverdienerInnen z. T. weniger Geld zur Verfügung haben als Hartz-IV-BezieherInnen und dabei Ansprüche der GeringverdienerInnen auf Wohngeld, Kindergeldzuschläge etc. unter den Tisch fallen lassen. In der Studie wird nun anhand von 196 Beispielrechnungen belegt: „Wer in Deutschland Vollzeit arbeitet, hat mehr als der, der nicht arbeitet.“ (DPWV).
Im europäischen Vergleich eher geringe Sozialleistungen in Deutschland
Westerwelle und andere PolitikerInnen sollten ab und zu die einschlägigen Untersuchungen lesen (das ist optimistisch gedacht, viel schlimmer ist die Vermutung, dass sie es tun und sie bewusst ignorieren!): Wie die OECD in einer aktuellen vergleichenden Studie herausgefunden hat, sind die Sozialleistungen für Langzeitarbeitslose in Deutschland absoluter Durchschnitt – im europäischen Vergleich sogar eher gering! So erhält ein Langzeitarbeitsloser in Deutschland 36 % seines früheren Nettoeinkommens durch Sozialleistungen wie Hartz IV. In den Niederlanden sind es 61 %! Lediglich Alleinerziehende sind in Deutschland besser gestellt als der Durchschnitt.
Kein Absturz der Mittelschicht
Laut Süddeutscher Zeitung (SZ) hat das Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) in einer aktuellen Studie herausgefunden, dass (noch immer) die Angst der Mittelschicht vor einem Absturz in Armut unbegründet ist. Grundlage sind die Daten von Hartz-IV-EmpfängerInnen. Nur einer von tausend hat nämlich vor dem Bezug von Hartz IV 3.500 Euro brutto oder mehr verdient, und auch nur jede/r 10. 1.500 Euro und mehr. Da die Angst der Besserverdienenden immer auch ein Druckmittel der Politik ist, sind die Ergebnisse durchaus politisch brisant – wenn sie denn von den WählerInnen wahrgenommen werden. Die Studie ist zz. noch nicht veröffentlicht.
Diverses zu Hartz IV
Im Wochenbericht 6/2010 des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ist nachzulesen, dass der allergrößte Teil der Arbeitslosen bereit ist einen angebotenen Job anzunehmen – und dies ebenfalls auf die arbeitslosen Hartz-IV-EmpfängerInnen zutrifft. Nichstdestotrotz nimmt die Diskriminierung und Diskreditierung von Hartz-IV-EmpfängerInnen auch in hochrangigen Politikkreisen zu, wie die Ausfälle des Außenministers (!) Westerwelle zeigen. Wer’s nochmal im Original lesen will: „Die Welt“ vom 11.2.2010.
Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Hartz IV online
Mittlerweile ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) auf deren Website online gestellt. Wer die (ausgedruckt) 37 Seiten nicht lesen möchte, kann sich zunächst die 6-seitige Pressemitteilung ansehen und sich dann neu entscheiden. Derweil hat auch die Bundesagentur für Arbeit (BA) eine Pressemitteilung herausgegeben, in der sie vor dem Stellen von Anträgen auf zusätzliche Leistungen (s. vorheriger Beitrag) abrät – diese seien nur für ganz besondere Härtefälle vorgesehen. Die Pressemitteilung der BA wurde bereits per Newsletter verschickt, steht aber noch nicht online zur Verfügung.
Hartz IV vor und nach der Urteilsverkündung des Bundesverfassungsgerichtes
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht ist verkündet, lange wurde spekuliert, wie das Gericht zu den (Kinder)regelsätzen urteilen wird. Lt. Spiegel-online wurde vor 20 Minuten (auf eine Klage von drei Familien) verkündet: 1.) Die Berechnung der Hartz-IV-Regelsätze ist verfassungswidrig. 2.) Sie bleibt zunächst bis zum Jahresende in Kraft. 3.) Ab 1. Januar 2011 muss es eine Neuregelung geben. 4.) Bis dahin können (in seltenen Fällen) ergänzende Leistungen beansprucht werden, soweit dies zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erforderlich ist. Die Website des Bundesverfassungsgerichts ist derweil nicht erreichbar, vermutlich ist sie unter Millionen von Anfragen seit 10 h zusammengebrochen…
Bereits vor dem Urteil schrieben sich deutsche JournalistInnen die Finger wund, denn nach 5 Jahren Erfahrungen zu Hartz IV gibt es höchst unterschiedliche Einschätzungen zum Erfolg der Jahrhundertreform/Jahrhunderblamage. Empfehlenswert der ausführliche Artikel in der aktuellen ZEIT und der Überblick zu allen Hartz-Gesetzen I-IV in der Frankfurter Rundschau vom Wochenende.