Eine ganz besondere Aktion gegen Kinderarmut findet ab dem 30. August statt: Zwei Radtouren – eine durch Deutschland, eine durch Indien – sollen Geld für die Stiftung Childaid Network einfahren. An der Deutschlandtour kann jedermann teilnehmen, durch Indien radeln die fünf Organisatoren mit Webcam und Satellitentelefon. Wie das Ganze geht: „Wir setzen uns auf unsere Räder und sammeln für jeden gefahrenen Kilometer einen kleinen Obolus von unseren Freunden, Verwandten und Sponsoren“ (Website). Das Spendenbarometer verzeichnet zz. schon über 8.000 Euro. Schirmherr ist Michael Gross, der mehrfache Goldmedaillenschwimmer. Viele weitere Prominente unterstützen die Aktion.
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Starthilfe für Erstklässler und billige Pflegekräfte
Kaum freut man sich beim morgendlichen Zeitungslesen über eine gute Nachricht für Berliner Kinder aus finanziell schwachen Familien, liest man ein paar Seiten weiter den mindestens ambivalente Gefühle auslösenden Artikel über billige Pflegekräfte durch kurzausgebildete Langzeitarbeitslose. Der Reihe nach:
Fast alle Tageszeitungen bringen heute eine kurze Nachricht zur Entscheidung des Berliner Senats, finanziell bedürftigen Berliner Erstklässlern ab dem kommenden Schuljahr ein sog. „Starter-Paket“ zu gewähren, das aus einem Härtefallfonds finanziert werden soll. Insgesamt 300.000 Euro sollen die Bezirke hierfür zur Verfügung gestellt bekommen. Initiiert hat das Ganze die Linke.
Link zur Nachricht im Tagesspiegel
In der Taz werden heute die Pläne der Bundesagentur für Arbeit problematisiert, Arbeitslose nach einer kurzen Schulung für die Betreuung von Demenzkranken einzusetzen. Betont wird von allen offiziellen Seiten, dass dadurch keine qualifizierten Kräfte ersetzt werden sollen, sondern zusätzliche Unterstützung gewährt werden soll – z. B. durch Vorlesen, Halmaspielen etc. Dementsprechend unterschiedlich sind die Reaktionen. Während das Vorhaben z. B. durch den Verein für selbstbestimmtes Wohnen im Alter e. V. begrüßt wird, finden es andere wie der Verein für Behindertenhilfe in Hamburg „sträflich“, „Langzeitlose auf Demenzkranke loszulassen“. Die Gewerkschaft Ver.di sieht die Gefahr, dass noch mehr Billigkräfte die Situation der PatientInnen in der Pflege weiter verschlechtern. Und ob man der Versicherung vertrauen kann, keine Festangestellten dafür einzusparen, ist noch die große Frage…
Regierung hantiert mit alten Zahlen zur Kinderarmut
Im Dezember 2007 hat „Die Linke“ eine Große Anfrage zum Thema Kinderarmut gestellt. Wie die Taz heute berichtet, liegt nun die Antwort der Bundesregierung vor. Auf die Frage, warum im aktuellen Armuts- und Reichtumsbericht das Ausmaß von Kinderarmut in Deutschland mit 12 % angegeben wird, obwohl das zuständige Ministerium unter Frau von der Leyen längst aktuellere Zahlen vorgelegt hat, die 16-17 % Armutsbetroffenheit benennen, wird auf die nötige internationale Vergleichbarkeit verwiesen, die schon als Argument für die unterschiedlichen Daten zur Armutsbetroffenheit in Deutschland insgesamt herhalten musste (13 % statt 18 %, siehe Meldung vom 20.5.08). Wenn die alternativen Daten ein geringeres Ausmaß von Armut ergeben würden, wie hätte sich die Regierung in diesem Fall wohl entschieden??? Zur Armutsbetroffenheit von Kindern aus Einwandererfamilien konnte die Bundesregierung in der Antwort auf die Große Anfrage lt. Taz keine Angaben machen. Dabei habe auch hier das Familienministerium längst Zahlen vorgelegt, nach denen die Armutsrisikoquote dieser Gruppe bei rund 30 % liegt. Sicher ist sich die Regierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage jedoch, dass die Regelsätze für Kinder beim Alg II ausreichend seien…
Neues nach der EM
Die Fußballeuropameisterschaft ist vorbei. Der neue Regelsatz beim Arbeitslosengeld II kommt – ab heute erhält der Haushaltsvorstand 351 Euro statt wie zuvor 347 Euro. Auch die vom Regelsatz des Haushaltvorstandes abgeleiteten Regelsätze für Angehörige erhöhen sich entsprechend. Die Erhöhung beträgt 1,1 % – gekoppelt an die Rentenerhöhung. Angesichts einer Inflation letztes Jahr von 2,3 % wird aus der Erhöhung ein Verlust von 1,2 %. Also auch hier nicht wirklich ein Grund zu feiern.
Gleichzeitig wird das Wohngeld zum 1. Januar 2009 im Durchschnitt um zwei Drittel auf 150 Euro monatlich erhöht. Das beschloss das Bundeskabinett am Mittwoch in Berlin.
Mehr Eltern als zuvor können den Kinderzuschlag erhalten, an der maximalen Höhe von 140 Euro ändert sich aber nichts.
Kinderschutzchef zum Thema Kinderarmut im Interview
In der TAZ von gestern äußert sich der Präsident des Kinderschutzbundes zu den Vorschlägen der SPD und CDU zum Thema Kinderarmut (s. a. die letzten Blogmeldungen zum Thema). Er wendet sich gegen die gekürzten Regelsätze für Kinder beim Arbeitslosengeld II, da diese willkürlich festgesetzt worden seien. Im Gegensatz dazu fordert er eine Grundsicherung für Kinder in Höhe von run d 400 Euro pro Kind – und zwar für alle Kinder – ob arm oder reich. Dies würde auch das gegenwärtige Kindergeld überflüssig machen.
Plan gegen Kinderarmut der CDU
Nach dem Aktionsplan der SPD gegen Kinderarmut (s. Meldung vom 11. Juni) hat nun auch die CDU ihre Pläne zum Thema vorgestellt. Ihre Vorschläge: Frühzeitig fördern – mehr Bildung für alle (u. a. verbindliche Sprachtests für alle Kinder im Alter von vier Jahren), Familien stärken – Chancen für Kinder (u. a. mehr Kindergeld und die Ausweitung der Betreuungsplätze). Daneben steht die CDU auch weiterhin für die „Heim+Herd-Prämie“, so kündigt sie an, ab 2013 ein Betreuungsgeld für diejenigen einzuführen, „die sich zuhause um ihre Kinder kümmern“.
Bildung schützt vor Armut nicht
In einem Beitrag in der heutigen Frankfurter Rundschau stellt der Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge etwas provokant fest: „Bildung schützt vor Armut nicht“. Dabei stellt er nicht infrage, dass Bildung wichtig ist, sondern wendet sich gegen die „Pädagogisierung der Armut“ und die „Mythologisierung der Bildung“, wenn dies in Form „leerer Bildungsversprechen“ und „illusionärer Aufstiegshoffnungen“ passiert. „Geld ist weiß Gott nicht alles, aber ohne Geld sind die meisten kulturellen und Bildungsambitionen nicht viel wert!“ – und so fordert Butterwegge in seinem Beitrag zunächst und vor allem, die Reichen stärker zur Kasse zu bitten und damit hilfebedürftigen Familien ihren Lebensunterhalt zu sichern – und zwar auf einem anderen Niveau als heute, wo für Bildung 0 Cent und für Kindernahrung völlig unzureichende Sätze vorgesehen sind.
Blauer Brief für Kultusminister
In der Ausgabe vom 05. Juni berichtet die Zeit exklusiv über eine unveröffentlichte Studie von Bildungsforschern (deren Ergebnisse den Auftraggebern, nämlich den Kultusministern von Bund und Ländern, offenbar nicht gefallen). Die Forscher fordern vor allem die systematische Förderung der leistungsschwächsten SchülerInnen und kritisieren dabei auch die fehlende Kontrolle, ob das Bundesprogramm für die Errichtung neuer Ganztagsschulen überhaupt die sogenannten RisikoschülerInnen erreicht. Hilfe für diese Zielgruppe sei „breit und unspezifisch“ – jeder Fünfte der deutschen NeuntklässlerInnen gehört zu den „Zukunftslosen“. Sie regen daher ein „Bildungsminimum“ an, das von niemandem verfehlt werden darf. Es bleibt abzuwarten, ob diese Studie letztendlich für den Papierkorb durchgeführt wurde oder die Kultusminister doch noch die „Mahnungen“ der Bildungsforscher zur Kenntnis nehmen.
Aktionsplan der SPD gegen Kinderarmut
In ihrem am 09. Juni bekanntgegebenen Aktionsplan gegen Kinderarmut stellt die SPD u. a. folgende Maßnahmen/Handlungsansätze vor: Ausbau von Kindertagesstätten zu Eltern-Kind-Zentren, Verbesserung der Betreuungsqualität und Sicherung eines gesundes Mittagessens für alle Kinder, gebührenfreie Bildung von der Kita bis zur Hochschule, Ableitung der Regelsätze vom Bedarf sowie die Einberufuzng einer Nationalen Kinderkonferenz. Dabei betont die SPD, bereits in den vergangenen Legislaturperioden einen Paradigmenwechsel in der Familien- und Bildungspolitik eingeleitet zu haben und gegen den Widerstand der CDU auch weiter fortsetzen zu wollen. So wird (natürlich) auch der Aktionsplan gegen Kinderarmut zur parteipolitischen Profilierung genutzt.
Spenden fürs Jobcenter!
In einem Beitrag der Frankfurter Rundschau (FR) konnte man vor einigen Monaten die Erzählung von Pauline, 11 Jahre, nachlesen: „Wir sind arm“. Ein freundlicher Mensch wollte der Familie etwas Gutes tun und spendete insgesamt 250 Euro. Durch einen anonymen Hinweis wurde das Jobcenter Rostock auf die Spende aufmerksam und rechnete das Geld auf die monatliche Unterstützung an. Durch die Intervention des Spenders, der u. a. seinen Parteifreund Kurt Beck einschaltete, sieht das Jobcenter nun doch von der Rückforderung ab – es handelt sich bei „Spenden und angemessenen Geschenken zu besonderen Anlässen“ nämlich immer um eine Einzelfallentscheidung. Fragt sich nun nur noch, welcher Denunziant der kleinen Pauline die 250 Euro nicht gönnte.