Schulen in Deutschland weiterhin sozial ungerecht

In den aktuellen internationalen Vergleichen zur Schulleistung von GrundschülerInnen schneidet Deutschalnd besser ab als in den Jahren zuvor. Verringert hat sich bspw. der Abstand zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund, und auch die Leistungen insgesamt konnten sich im internationalen Vergleich – wenn auch nur moderat – steigern. Immer noch geht es jedoch sozial ungerecht zu in Deutschland, wo z. B. GrundschülerInnen aufgrund des sozialen Status ihrer Eltern bei gleichen Leistungen unterschiedliche Empfehlungen für den nächsten Schultyp bekommen. Interessant dabei ist, dass es nicht gerechter zugeht, wenn statt der LehrerInnen die Eltern entscheiden können, ob das Kind aufs Gymnasium oder eine andere Schulform gehen wird. So würden sich als bildungsfern bezeichnete Eltern oft scheuen, ihre Kinder trotz guter Leistungen aufs Abitur vorbereiten zu lassen.

Informationen zur Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU) 2011
Informationen zur Studie „Trends in International Mathematics and Science Study (Timss) 2011“

Kontroversen um 4. Armutsbericht der Bundesregierung

Wer den im September kursierenden Entwurf des 4. Armuts- und Reichtumsberichts (s. Armutsblog vo. 26.9.12) mit der jetzigen Kabinettsvorlage vergleicht, kann sich nur die Augen reiben. Wissenschaftliche Befunde zur wachsenden Ungleichheit seien ins Gegenteil verkehrt worden (so die AWO), die Gerechtigkeitsfrage werde nicht mehr gestellt (so die Diakonie) und der Problem- und Handlungsdruck verschleiert (so der DGB). Wer sich selbst ein Bild machen will, liest beide Entwurfsfassungen und/oder die diversen Stellungnahmen der Verbände. Oder amüsiert sich über die vielen Karikaturen in den Zeitungen, die von einer „frisch frisierten“ Arbeitsministerin bis hin zu einer Verfilmung des Armutsberichts „in den Elendsvierteln von Düsseldorf“ reichen.

ARB 4, Kabinettsvorlage
Stellungnahme DGB
Stellungnahme der AWO
Stellungnahme der Diakonie

Keine Bestrafung von auf der Straße lebenden Menschen in Ungarn mehr möglich

Das ungarische Verfassungsgericht hat ein Gesetz aufgehoben, nach dem in Ungarn Menschen bis hin zu Freiheitsentzug bestraft werden konnten, wenn sie auf der Straße leben. Ob dies auch dazu führt, dass Ungarns Wohnungslose zukünftig adäquate Hilfeangebote zur Überwindung ihrer Notlage gemacht werden, darf bezweifelt werden.

taz.de zum Urteil

Hungarian Voice

Aufruf zur Winternothilfe

Das Armutsnetzwerk, ein Zusammenschluss zur Förderung der Kommunikation unter lokalen, regionalen, Bundes- und europaweiten Armutsinitiativen unter hoher Beteiligung von Armutsbetroffenen, hat aktuell einen Aufruf zur Winternothilfe 2012/13 gestartet. Darin wird auf den jährlichen Erfrierungstod von wohnungslosen Menschen in Europa aufmerksam gemacht und es werden Forderungen von präventiven Hilfen bis hin zur Armutsbekämpfung entsprechend den Festlegungen der EU-Strategie 2020 aufgestellt. Auf der Website von Berber-Info kann der Aufruf mitgezeichnet werden.

Aufruf des Armutsnetzwerks

ArbeitgeberInnen bestätigen Potenziale der Alg-II-BezieherInnen

In einer repräsentativen Studie des Allenbach-Instituts haben zwei Drittel der befragten ArbeitgeberInnen aus den Branchen Pflege, Handwerk und Gastronomie ausgesagt, zufrieden mit den ehemaligen Arbeitslosen zu sein, jede/r Vierte ist sogar sehr zufrieden. In ihrer aktuellen Pressemitteilung (PM) betont daher die Bundesagentur für Arbeit (BA) noch einmal die Potenziale von Arbeitslosen in der Grundsicherung, die stärker genutzt werden müssten. Drei Viertel der Unternehmen bewerteteten ehemalige Alg-II-BezieherInnen als teamfähig, flexibel, zuverlässig, motiviert und qualifiziert.

Link zur PM der BA

Jede/r Fünfte in Deutschland betroffen von Armut und Ausgrenzung

Aufgrund mehrerer Armutsberichte dieser Tage kann und sollte Alarm geschlagen werden: Im Rahmen der europäischen Armutsberichterstattung wurde vom Statistischen Bundesamt mitgeteilt, dass 19,9 % der Menschen in Deutschland von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen sind. Gemessen wurde dies mithilfe eines Sozialindikators aus Armutsgefährdungsquote (< 60 % des Durchschnittseinkommens zur Verfügung), erheblicher materieller Entbehrung sowie sehr geringer Erwerbsbeteiligung (PM 1). In einer weiteren Pressemitteilung wurde gesondert zu den 15,8 % armutsgefährdeten Menschen darunter Stellung genommen (PM 2). Von einem positiven Trend dagegen berichtet die Bertelsmannstiftung, nämlich dem Absinken der Armutsrisikoquote von Kleinkindern unter drei Jahren auf 8,7 %. Nichtsdestotrotz sind in den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen bis zu 34,3 % (Berlin) der Kleinkinder von Armut betroffen. Indikator dieser Erhebung war das Leben in einer Bedarfsgemeinschaft nach SGB II ("Hartz IV"-Bezug). Link zur Pressemitteilung (PM) 1
Link zur Pressemitteilung (PM) 2
Pressemitteilung der Bertelsmannstiftung

Weiterhin Vorurteile gegenüber Alg-II-EmpfängerInnen

Eine Befragung von mehr als 1.500 Menschen zeigt, dass Vorurteile gegenüber Alg-II-EmpfängerInnen in großen Teilen der Bevölkerung immer noch weit verbreitet sind. 57 Prozent der Deutschen denken, sie wären bei der Arbeitsuche zu wählerisch, ebenso viele halten sie für schlecht qualifiziert. Über die Hälfte der Befragten geht davon aus, dass sie überhaupt nicht aktiv nach Arbeit suchen und rund 40 Prozent glauben, sie wollten gar nicht arbeiten. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) betont in einer Pressemitteilung, dass dies nicht der Realität entspricht. Viele Arbeitslose in der Grundsicherung hätten brüchige Erwerbsbiografien, aber der Großteil von ihnen sei hoch motiviert.

Pressemitteilung der BA

AWO-Studie zu Kinder- und Jugendarmut

Gestern wurde in Berlin der 4. Teil einer Langzeitstudie zu Kinderarmut vorgestellt. Die seit knapp 15 Jahren begleiteten Kinder sind mittlerweile Jugendliche. Laut Studienleiterin Gerda Holz ist Armut der größte Risikofaktor für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Entscheidende Faktoren, die über das Aufwachsen von Kindern bestimmen, seien das Einkommen und der Bildungshintergrund der Eltern und die Familienform, in der das Kind aufwächst. Die Präsentation der Studie kann downgeloadet werden, die Publikation selbst ist nur käuflich zu erwerben.

Link zur Pressemitteilung

Entwurf des 4. Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung liegt vor

Der Entwurf des 4. Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung liegt vor und wird derzeit in der Presse sowie Fachöffentlichkeit diskutiert. Die wichtigste Botschaft ist, dass die Ungleichheit in Deutschland wächst. So konzentriert sich das Nettogesamtvermögen auf die Reichen (53 % des Vermögens halten die reichsten 10 % der Bevölkerung, die untersten 50 % der Bevölkerung dagegen haben nur knapp 1 %). Die Armutsgefährdungsquote stabilisiert sich bei 15 %. Zwar sinkt die Zahl der Arbeitslosengeld-II-EmpfängerInnen, doch die Zahl der AufstockerInnen („working poor“) wächst. Der Berichtsentwurf ist mehr als 500 Seiten stark, eine Zusammenfassung findet sich auf den Seiten 7-48.

Berichtsentwurf

Immer mehr Menschen arbeiten für einen Niedriglohn

Wie das Statistische Bundesamt in einer aktuellen Pressemitteilung verkündet, steigt die Anzahl von Menschen, die für einen Niedriglohn arbeiten (weniger als zwei Drittel des mittleren Verdienstes aller Beschäftigten, für 2010 wurden 10,36 Euro/Stunde errechnet). 20,6 % aller Beschäftigten in Betrieben mit zehn und mehr Beschäftigten arbeiteten laut Statistischem Bundesamt 2010 für einen Niedriglohn. Im Jahr 2006 hatte der Anteil noch bei 18,7 % gelegen. Besonders betroffen waren TaxifahrerInnen (87,0 %), Friseurinnen und Friseure (85,6 %) sowie das Reinigungsgewerbe (81,5 %). Auch unter diesen Aspekten sollte die aktuelle Debatte um eine Reform des Rentensystems verstärkt diskutiert werden.

Link zur Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts