Eine aktuelle Studie von UNICEF zeigt, dass Deutschland sich immer noch nur im Mittelfeld der reichen Industrieländer bewegt, was Kinderarmut angeht. Dabei wurde von UNICEF nicht nur Einkommensarmut (hier: weniger als 50 % des nationalen Durchschnittseinkommens) gemessen, sondern weitere Indikatoren wie regelmäßige Mahlzeiten, ein Platz für Hausaufgaben etc. wurden in die Analyse einbezogen. Knapp jedes 11. Kind ist nach diesem Deprivationsindex von Entbehrungen betroffen (d. h. mindestens 2 von insgesamt 14 Dinge fehlen). Deutschland liegt damit auf Platz 15 von 29 Ländern. Von Einkommensarmut betroffen sind in Deutschland 8,5 % der Kinder, hier belegt Deutschland nach dem Spitzenreiter Island (4,7 %) den 13. von 29 Plätzen.
Strompreise werden für Alg-II-EmpfängerInnen zur Schuldenfalle
Seit 2008 sind die Strompreise um rund 20 Prozent gestiegen. Anders als Miete und Heizkosten muss die Energie in Hartz IV-Haushalten direkt aus dem Arbeitslosengeld II bezahlt werden. Dafür ist im Regelsatz ein bestimmter Betrag vorgesehen. Doch der reicht nicht mehr aus. Viele Bedarfsgemeinschaften werden mit der Jahresendabrechnung von hohen Nachzahlungen überrascht. Die Jobcenter und ARGEN geben zu selten Darlehen, um die Nachforderungen rechtzeitig zu begleichen. Schon 200.000 Hartz IV-EmpfängerInnen wurde deshalb in 2011 der Strom abgestellt, schätzt der Paritätische Gesamtverband. Stromsparen fällt Menschen, die von Arbeitslosengeld II leben und Geringverdienern besonders schwer. Ein 5-minütiger Beitrag von Report Mainz.
Anstieg der Armut bei Erwerbstätigen und Arbeitslosen
Laut Daten des WSI-Forschers Eric Seils ist im europäischen Vergleich sowohl die Armut von Erwerbstätigen als auch von Arbeitslosen in Deutschland überproportional gestiegen. Der Anteil der sogenannten Working Poor stieg zwischen 2004 und 2009 um 2,2 %, die Armutsquote der Arbeitslosen sogar um 29 %. Insgesamt lagen 70 % der Arbeitslosen unter der Armutsgrenze (weniger als 60 % des Durchschnittseinkommens) – 25 % mehr als im EU-Durchschnitt!
Vermischtes: Altersarmut und Stromabschaltungen
Zwei Forschungsberichte sind in den letzten Wochen erschienen, die im Kontext von Armut interessant sind:
Der Altersübergangsreport des Instituts für Arbeit und Qualifikation (IAQ) zeigt neben anderen Erkenntnissen, dass Langzeitarbeitslose, die in die Rente übergehen, oftmals so geringe Renten erhalten, dass sie unter dem Grundsicherungsbedarf liegen. Die positive Nachricht: Ihr Anteil an den Rentenzugängen ist (weiterhin) sinkend. Dafür steigt die Anzahl von Haushalten, denen wegen Nichtzahlung der Strom abgestellt wird, wie eine Befragung der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen ergeben hat. Hochgerechnet schätzen die ForscherInnen, dass bundesweit 2010 600.000 Haushalten der Strom abgedreht wurde.
Osterurlaub
Der Armutsblog veranschiedet sich in einen längeren Osterurlaub und ist ab Mai wieder mit Nachrichten und Befunden zum Thema Armut für Sie da!
Herzliche Grüße
Susanne Gerull
Niedriglohn im Vormarsch
Wie eine aktuelle Studie des „Institut Arbeit und Qualifikation“ (IAQ) belegt, arbeitete 2010 fast 1/4 der Beschäftigten zum Niedriglohn. Die Niedriglohnschwelle liegt bei 2/3 des mittleren Stundenlohns, derzeit 9,15 Euro. Die Durchschnittslöhne im Niedriglohnsektor lagen dabei noch weit unter dieser Schwelle, nämlich bei 6,68 Euro in West- und 6,52 Euro pro Stunde in Ostdeutschland. 1,4 Millionen verdienten sogar weniger
als 5 Euro, wobei Ostdeutsche, Frauen und MinijobberInnen von solchen Niedrigstlöhnen überproportional betroffen sind. Das IAQ hat errechnet, dass bei Einführung eines gesetzliches Mindestlohnes von 8,50 Euro
jede/r fünfte Beschäftigte Anspruch auf eine Lohnerhöhung hätte!
Keine Chancengleichheit auf Bildung in Deutschland
Eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung weist nach, dass es in Deutschland keine Chancengleichheit, noch nicht einmal Chancengerechtigkeit, im Bildungsbereich gibt. Neben den bereits bekannten Problemen wie dem Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungserfolg zeigt die Studie auf, dass eine Durchlässigkeit des Bildungssystems in der Regel nur im Abstieg, nicht aber im Aufstieg verzeichnet werden kann. Aus einer Förderschule kommt bspw. fast niemand mehr heraus. Dabei konnten erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesländern festgestellt werden, so weise Sachsen ein „vergleichsweise durchlässiges“ Schulsystem auf. IFS-Direktor Bos wirbt in der Pressemitteilung für eine „größere Offenheit der Länder gegenüber vergleichenden Länderstudien“. Anders gesagt: Die Bundesländer mauern und stellen ungern Daten zur Verfügung – ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Kinderarmut: Keine Entwarnung!
Wie eine aktuelle Studie des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands (DPWV) belegt, gibt es entgegen anderslautender Statements keine Entwarnung beim Thema Kinderarmut. Zwar lebten Ende 2011 fast 15 % weniger Kinder im Arbeitslosengeld-II-Bezug als noch 2006, dies sei aber auf die Abnahme der Gesamtkinderzahl in Deutschland zurückzuführen. Der Anteil armer Kinder, die auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen sind, ist weiterhin auf hohem Niveau: Jedes siebte Kind unter 15 Jahren lebt von Hartz IV, in Ostdeutschland sogar jedes vierte Kind. Dabei zeichnet sich laut DPWV ein positiver Trend in Ostdeutschland, hier sinkt die Quote sukzessive. Schlusslicht bleibt weiterhin Berlin, hier lebt jedes dritte Kind von Hartz IV. Notwendige Maßnahmen zur Reduzierung der Kinderarmut sind laut DPWV bspw. passgenaue Kinderbetreuungsmöglichkeiten und mehr familienfreundliche Arbeitsplätze.
Mehr Wettbewerbsfähigkeit durch Hartz IV?
Oft gelesen, oft bezweifelt – die Bundesregierung stellt die Hartz-IV-Reformen meist als Motor gegen Arbeitslosigkeit und für mehr Wettbewerbsfähigkeit dar. Ruth Berger weist nun anhand von Daten aus dem Statistischen Jahrbuch 2010 – immerhin der Bundesbehörde Statistisches Bundesamt – nach, dass dies alles nicht zutrifft, wenn man nur die Zahlen genau analysiert. So gebe es bspw. nur mehr Erwerbstätige, weil viele Vollzeitarbeitsplätze direkt oder indirekt in Teilzeit umgewidmet worden seien. Auch im euopäischen Vergleich steht Deutschland gar nicht als Musterknabe dar, so seien wir mit 80 % des BIP verschuldet, was nicht viel besser als Frankreich oder Großbritanninen und sogar schlechter als in einem Krisenland wie Spanien sei. Ein eigener Blick in die Statistik lohnt also immer…
Kinderarmut – Unter-Dreijährige am stärksten betroffen
Eine neue Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt auf, dass die Unter-Dreijährigen in Deutschland am stärksten von Kinderarmut betroffen sind. Gleichzeitig bestehen dabei große Unterschiede zwischen den Bundesländern und einzelnen Regionen Deutschlands. So verzeichnete Sachsen-Anhalt 2010 mit 33,2 % bei den Unter-Dreijährigen die höchste und Bayern mit 10,1 % die geringste Armutsquote, Unter „Kinderarmut“ wurde dabei das Aufwachsen in SGB-II-Haushalten verstanden. Die Bertelsmann-Stiftung weist als Konsequenz u. a. darauf hin, dass mehr Geld für gute Kitas erforderlich ist und in Brennpunkte investiert werden muss, um Chancengleichheit zu ermöglichen.