„Deutschland hat in Sachen sozialer Gerechtigkeit noch einigen Nachholbedarf.“ So beginnt die Studie im Auftrag der OECD, die die Bertelsmann Stiftung aktuell vorgelegt hat. Stichwörter sind u. a. hohe Armutsquoten, Defizite beim Bildungszugang und Arbeitsmarktinklusion. Empfohlen wird, „sich bei der Suche nach adäquaten Problemlösungsansätzen von erfolgreichen Maßnahmen und
Prioritätensetzungen in anderen Ländern inspirieren zu lassen.“
Klagerekord am Berliner Sozialgericht
Das Sozialgericht Berlin meldet einen neuen Klagerekord bei den Hartz-IV-Verfahren. In einer Pressemitteilung zeigt sich die Justizsenatorin über die steigende Anzahl an Klagen „beunruhigt“. So würden viele Streitereien vor Gercht durch die unklaren gesetzlichen Regeln sowie die Überforderung der JobCenter provoziert. Laut taz sind 2010 fast 32.000 neue Klagen eingegangen – eine Steigerung um 20 % zum Vorjahr.
Link zur Pressemitteilung der Justizverwaltung
Link zum taz-Artikel
Auch das noch – Warmwasser im neuen Regelsatz vergessen!
Wie der Deutsche Landkreistag lt. FAZ festgestellt hat, wurde bei der Neuberechnung des Regelsatzes im SGB II der Warmwasseranteil, bisher 6,47 Euro für einen Alleinstehenden, vergessen – oder absichtlich nicht berücksichtigt. Würde er aus dem Regelsatz fallen, müssten die Kommunen ihn mit den Unterkunftskosten auszahlen, was zu Mehrbelastungen bis zu 400 Millionen führen würde. Die Einigung wird dieser Umstand nicht beschleunigen, steht zu befürchten…
Weihnachtspause
Der Armutsblog verabschiedet sich in die Weihnachtspause und wünscht allen fröhliche Weihnachten und einen guten Start ins Neue Jahr. Ab 2011 geht es weiter mit Nachrichten und aktuellen Erkenntnissen zum Thema Armut.
Drastischer Anstieg der WohngeldempfängerInnen
Laut Auskunft des Statistischen Bundesamtes ist die Anzahl der WohngeldempfängerInnen von 2008 auf 2009 um 47,2 % auf insgesamt 860.000 Haushalte gestiegen. Rund 1,56 Milliarden Euro wurden 2009 hierfür ausgegeben. Vor allem in den neuen Ländern (ohne Berlin) leben Menschen, die ohne Wohngeld ihre Mietkosten nicht bestreiten könnten. Spitzenreiter sind Mecklenburg-Vorpommern (4,5 %) sowie Sachsen (3,7 %).
Änderungen beim Arbeitslosengeld II
In zwei Tagen entscheidet sich, ob die geplante Regelsatzerhöhung ab 1.1. in Kraft tritt. Im Bundesrat könnte es für die Regierung knapp werden, denn das schwarz-grüne Saarland hat eine Enthaltung angekündigt. Vorab verschickt die Bundesagentur für Arbeit (BA) schon mal eine Pressemitteilung, was sich auf jeden Fall ab 1.1. ändert – weil es nicht abstimmungspflichtig im Bundesrat ist. Dies betrifft beispielsweise die faktische Streichung des Elterngeldes für Alg-II-EmpfängerInnen (da es i. d. R. in voller Höhe als Einkommen angerechnet wird) und die Streichung des Beitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung.
Einkommensunterschied zwischen Ost und West wächst wieder
Laut der aktuell vorgestellten neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), die alle fünf Jahre vom Statistischen Bundesamt erhoben wird, betrug das durchschnittliche Nettoeinkommen in Deutschland 2008 2.914 Euro. In den neuen Ländern und Berlin-Ost lag es mit 2 292 Euro bei 75,0% des Westniveaus (3 056 Euro). Netto standen den Haushalten im Osten somit durchschnittlich 764 Euro im Monat weniger zur Verfügung als den Haushalten im früheren Bundesgebiet. In der fast 300 Seiten starken Studie zur EVS werden Einkommen sowie Ausgaben der privaten Haushalte detailliert nach Kriteren wie Geschlecht, Alter und sozialer Stellung erfasst.
Link zur Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts
Link zum Download der EVS-Studie
Deutschland wenigstens mittelmäßig!
Laut aktueller PISA-Studie mit den Ergebnissen aus 2009 ist Deutschland wenigstens im Mittelmaß angekommen. So haben sich die Lesefähigkeiten der getesteten SchülerInnen – vor allem dank derjenigen mit Migrationshintergrund – verbessert. Weiter prägend ist in Deutschland der sozio-ökonomische Hintergrund der Familie, aber auch das Umfeld der Schule. In keinem anderen Land hat ein sozial ungünstiges Schulumfeld einen derart starken Einfluss auf die Leistungen von Kindern aus sozial schwachen Familien. Im Ländervergleich zeigt sich, dass gleiche Bildungschancen, unabhängig vom Status und Gehalt der Eltern, auch die erfolgreichsten Schulsysteme generiert. Auf der deutschsprachigen OECD-Seite finden sich neben der Pressemitteilung weitere Links zu den Ländererichten sowie der Gesamtstudie.
“Herr Dinse wird obdachlos”
Ein Fall aus Greifswald wurde im Januar 2009 durch die Sendung „Report Mainz“ bekannt, als ein Analphabet wg. Mietschulden aus seiner Wohnung geräumt wurde und die ARGE dabei ungerührt zusah, obwohl die Wohnung nach allem Rechtsverständnis hätte erhalten werden müssen. Ein Dokumentarfilm hierzu wurde nun aktuell mit dem Journalistenpreis zum Europäischen Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung (Kategorie “Audiovisuell”) ausgezeichnet. „The European Circle“ greift die Geschichte auf und berichtet heute über Armut in Europa: „Ein unsichtbares Elend“.
Bundesrechnungshof kritisiert 1-Euro-Jobs als ungeeignet
Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 15.11.2010 hat der Bundesrechnungshof in einem internen Papier das Instrument der 1-Euro-Jobs stark kritisiert. Lt. Süddeutscher Zeitung kommt der Bundesrechnungshof zu dem Schluss, die geförderten Arbeitsgelegenheiten seien in der Mehrzahl der Fälle nicht geeignet, die Chancen von Langzeitarbeitslosen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen. Es fehle sogar bei mehr als 50 % der geprüften Fälle die Rechtsgrundlage für eine Förderung des Jobs, da sie nicht zusätzlich und gemeinnützig seien, wie es das Gesetz vorschreibt. Der Bericht wurde für das Arbeitsministerium verfasst und ist (zum jetzigen Zeitpunkt) nicht öffentlich einsehbar.