Anlässlich des Falles Nr. 60.000 im Kontext Hartz IV beim Berliner Sozialgericht erschien heute in der FAZonline ein Bericht über die Klagen der Betroffenen und den alltäglichen Wahnsinn in den JobCentern. Die Überschriften sind deutlich: Tausende unerledigte Fälle * Unbestimmte Rechtsbegriffe * Uneinheitliche Praxis und Unsäglicher Murks! Aber auch die „Best Practice“ eines JobCenters wird beschrieben – in Form schneller Übertragung richterlicher Entscheidungen auf die Entscheidungspraxis im eigenen JobCenter. Eigentlich selbstverständlich, oder?
Working Poor
In einer aktuellen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) wurde festgestellt, dass die Zahl derjenigen, die trotz Arbeit auf aufstockende Leistungen im Rahmen des SGB II angewiesen sind, weiter steigt. Jeder Fünfte der mittlerweile 1,35 Mio. Betroffenen ging dabei sogar einer Vollzeitbeschäftigung nach! Die „working poor“ sind nach Einschätzung der ForscherInnen in der Regel hoch motiviert zu arbeiten.
Kinderregelsätze verfassungswidrig
Wie das Bundessozialgericht am Dienstag entschieden hat, sind die aktuellen Regelsätze für Kinder im Rahmen von Hartz IV verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht muss nun die gesetzlichen Regelungen des SGB II prüfen. Nicht die tatsächliche Höhe der Regelsätze (211 Euro für Kinder) wurde allerdings kritisiert, sondern das Zustandekommen der Abschläge vom Regelsatz für Erwachsene (60 %). Da es für die Abschläge keine Begründungen gibt und gab, verstoße dies gegen den Gleichheitsgrundsatz. ArmutsforscherInnen und PraktikerInnen fordern seit langem einen kinderspezifischen Regelsatz, der dem tatsächlichen Bedarf entspricht.
Rote Karte für Hartz IV
Lt. Frankfurter Rundschau vom 23.01. hat das Bundessozialgericht bei einem Pressegespräch am 22.1. eine „Reform der Reform“ gefordert. Unklare Regelungen würden dazu führen, dass in hohem Umfang Bescheide vor dem BSG angefochten werden – fast 175.000 neue Verfahren wg. Hartz IV wurden im letzten Jahr gezählt. Auf die zusätzliche Kritik des BSG, dass die Urteile dann gar nicht von den JobCentern zur Kenntnis genommen würden, reagierte der Sprecher der Bundesagentur für Arbeit wohl eher verschnupft…
Praxisgebühr hält Arme vom Arztbesuch ab
Wie u. a. die Frankfurter Rundschau berichtet, hat eine aktuelle Untersuchung der Bertelsmann Stiftung ergeben, dass chronisch kranke Menschen seit Einführung der Praxisgebühr seltener zum Arzt gehen. Aber nicht nur der Gesundheitszustand, sondern auch das Einkommen beeinflusst offenbar das Verhalten der Kranken: Je niedriger das Einkommen, desto seltener gehen die Kranken zum Arzt! Die gewünschte Steuerung durch die Praxisgebühr funktioniert also vor allem bei armen, chronisch kranken Menschen – das kann nicht Ziel des Gesundheitsmodernisierungsgesetz gewesen sein.
Die Vermögensungleichheit in Deutschland steigt
Im aktuellen Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaft (DIW) finden sich die Ergebnisse einer Studie zum Vermögen der Deutschen. So werden ganz offensichtlich die Reichen immer reicher – die Armen bleiben dagegen arm! Durchschnittlich hat zwar jede/r Deutsche ein Vermögen von 88.000 Euro (Daten aus 2007) – dieser hohe Betrag kommt jedoch nur durch die vielen sehr reichen Menschen zustande. Errechnet man nicht den klassischen Durchschnitt, sondern den Median, d. h. teilt die Bevölkerung genau in eine ärmere und eine reichere Hälfte, liegt der Betrag nur noch bei 15.000 Euro. Seit 2002 hat die Vermögensungleichheit in Deutschland damit noch zugenommen.
Working poor – herzlich willkommen in Deutschland!
Eine aktuelle Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) beschäftigt sich mit den sog. working poor – Menschen, die trotz Arbeit ihren Lebensunterhalt nicht finanzieren können. So sind in Deutschalnd 5 % der Vollzeiterwerbstätigen trotz ihres Jobs armutsgefährdet. Zwar sind wir damit noch weit von den USA entfernt, in denen der Anteil 10 % beträgt, aber der Anteil der Niedrigverdiener stieg in Deutschland in den letzten Jahren prozentual stärker an als dort.
Das alternative Konjunkturprogramm
In einem Gastbeitrag für die Frankfurter Rundschau schlagen heute einige (z. T. schon emeritierte) Professoren ein alternatives Konjunkturprogramm für „wahrhaft Bedürftige“ vor. Sie wenden sich dagegen, dass vom bereits beschlossenen zweiten Konjunkturprogramm der Regierung nur die Wirtschaft und Erwerbstätige profitieren. Dagegen schlagen sie vor, die Wirtschaft mit einem Konjunkturprogramm anzukurbeln, das Armen und Erwerbslosen zugute kommt. Dabei sind sie nicht zimperlich, so sollten ihrer Ansicht nach u. a. der Regelsatz für Arbeitslosengeld-II-Leistungen auf 500 Euro erhöht, ein gesetzlicher Mindestlohn von 10 Euro geschaffen und für Bedürftige ein Mobilitätsticket für den städtischen Nahverkehr sowie die Deutsche Bahn für 25 Euro angeboten werden. Ob in einem weiteren Gastbeitrag demnächst die Antwort von Frau Merkel und Co. auf diesen Vorschlag zu lesen sein wird?
[Zum Vergleich: Das „große, bunte Paket“ der Regierung, z. B. dargestellt in der Taz vom 14.1.09]
Broschüre zu Sanktionen gegen Alg-II-EmpfängerInnen
Die Kampagne gegen Hartz IV hat eine Broschüre mit „Erfahrungen, Analysen und Schlußfolgerungen“ zum Thema Sanktionen gegen Alg-II-EmpfängerInnen erstellt. Die 93-seitige Broschüre mit dem Titel „Wer nicht spurt, kriegt kein Geld“ kann auf der Website der Kampagne downgeloadet werden (s. Link). Darin gibt es u. a. rechtliche Hinweise, Erfahrungsberichte von Betroffenen und die Auswertung einer telefonischen Befragung von Berliner Beratungsstellen über ihre Erfahrungen mit Sanktionen im Rahmen des SGB II.
Lebensmitteltafeln – lukrativ auch für die Spender!
In der Frankfurter Rundschau kann man aktuell nachlesen, wie lukrativ die ca. 800 Tafeln in Deutschland auch für die Spender sind. Ein leicht gekürzter Aufsatz von Stefan Selke, Professor an der Hochschule Furtwangen University, dokumentiert, wie die Tafeln nicht nur den Staat aus der Verantwortung entlassen, sondern auch den Spendern Geld ersparen – nämlich für das Wegwerfen der nicht mehr verkäuflichen Ware. Trotz der kritischen Hinterfragung der Tafelbewegung sagt Prof. Selke allerdings auch überzeugt: „Die Erfindung der Tafeln war und ist eine herrliche Idee“.