Arbeit und Anerkennung sind wichtiger als Geld!?

Nun hat endlich eine Studie herausgefunden, dass die Hartz-IV-Sätze nicht zu gering, sondern zu hoch sind! Die TU Chemnitz hat unter Leitung des Finanzexperten Friedrich Thießen herausgefunden: „Gemessen an den von der Gesellschaft festgelegten Zielen der sozialen Mindestsicherung sind die Hartz-IV-Gelder nicht zu niedrig, sondern eher zu hoch. Als gerecht wird das System dennoch von vielen nicht empfunden, weil es den Bedürftigen nur Geld gewährt und ihnen verwehrt, was sie wirklich wollen: Arbeit und Anerkennung.“ (Website). Wie dies ermittelt wurde, kann in der Kurzfassung der Studie sowie in einem Aufsatz nachgelesen werden. Und da bleibt einem wirklich die Spucke weg: Mit 132 Euro monatlich kann man angeblich im sog. „Minimumsfall“ leben, und großzügige 278 Euro sind dann der „Maximumsfall“. Die Studie zeichnet sich aus durch Fehler und unklare Formulierungen (z. B.: Jeder bekomme 350 Euro Regelsatz,  der Regelsatz errechne sich aus einem Warenkorb ). Interessant sind dann aber vor allem die errechneten „Kosten der sozialen Mindestsicherung“. So werden im „Minimumsfall“ 1 Euro für Freizeit, Kultur und Unterhaltung angesetzt (und erklärt mit einer Bibliotheksgebühr) sowie 2 Euro für Kommunikation und 7 Euro für Gebrauchsgegenstände. Da schließe ich mich doch der Taz von gestern an, die in ihrer „verboten“-Rubrik schrieb: „Aber warum nur Hartz-IV-Empfänger mit 132 Euro monatlich alimentieren? Warum dieses großzügige Salär nicht auch zwei ganz  verdienstvollen Chemnitzer Wirtschaftswissenschaftlern gewähren?“

Link zur Website der TU Chemnitz mit weiterer Verlinkung zu den Ergebnissen

50.000 Hartz-IV-Klagen beim Sozialgericht Berlin

Wie die Taz am Wochenende berichtete, ist beim Sozialgericht Berlin die 50.000. Klage gegen eine Entscheidung der Berliner JobCenter eingegangen. Gegenüber der Sozialhilfe hat sich die Anzahl der Klagen massiv erhöht, so rechnen die RichterInnen dieses Jahr mit ca. 21.400 neuen Verfahren gegenüber 6.500 Klagen zur Sozial- und Arbeitslosenhilfe 2004.  Jeder/r Zweite gewinnt seine Klage, sodass nicht mehr wie zum Start von Hartz IV von einem Übergangsproblem gesprochen werden kann. Das Problem liegt im System, so wird Justizsenatorin Gisela von der Aue zitiert, die Sozialgerichte müssten die Lücken füllen, die der Gesetzgeber mit den vielen unbestimmten Rechtsbegriffen gelassen haben.

Link zum Taz-Artikel vom Wochenende

Pressemitteilung zu Niedriglohnstudie

Das Institut Arbeit und Qualifikation der Uni Duisburg-Essen (IAQ) hat heute eine Pressemitteilung zu ihrer Niedriglohnstudie (s. Blogbeitrag von gestern) veröffentlicht, die in einer Tabelle die Veränderung der Stundenlöhne seit 1995 aufzeigt. Die vollständigen Ergebnisse der Studie sind in den (kostenpflichtigen) WSI-Mitteilungen der Böcklerstiftung nachzulesen.

Link zur Pressemitteilung des IAQ

Link zu den WSI-Mitteilungen

Löhne stürzen ab – die Einkommenskluft wächst

Wie die Frankfurter Rundschau heute bereits über eine morgen erscheinende Studie des Instituts Arbeit und Qualifikation der Uni Duisburg-Essen berichtet, wächst die Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland weiter. Oder, wie die Zeitschrift schreibt: „Der Vormarsch des zügellosen Kapitalismus hat auf dem Arbeitsmarkt tiefe Spuren hinterlassen.“ Während GeringverdienerInnen immer weniger verdienen – die Forscher haben ein Minus von 14 % in den vergangenen Jahren errechnet – können Besserverdienende einen realen Anstieg ihrer Löhne und Gehälter verbuchen. 22 % der Beschäftigten waren 2006 sogenannte Geringverdiener,  sie verdienten weniger als zwei Drittel des mittleren Stundenlohns. Folgerichtig plädieren die Forscher für einen gesetzlichen Mindestlohn.

Link zum Artikel in der Frankfurter Rundschau

Das Wunder von Hartz IV?

Die FAS von heute berichtet in ihrem Wirtschaftsteil vom „Wunder am deutschen Arbeitsmarkt“. Die Arbeitslosigkeit sinke aufgrund von Hartz IV: „Es ist für viele Menschen nicht mehr so attraktiv, vom Arbeitslosengeld zu leben“. Vor allem qualifizierte Arbeitslose aus der Mittelschicht würden aufgrund der geringen Regelsätze von Alg II intensiver nach Arbeit suchen als mit dem höheren Alg I. Ein Beispiel präsentiert die FAS gleich mit – den Techniker CK, der wieder eine (unbefristete) Stelle gefunden hat. Die Kehrseite der Medaille verschweigt die FAS gar nicht, problematisiert sie aber auch nicht: Der erhöhte Druck auf die Arbeitslosengeld-II-BezieherInnen führt auch zu niedrigen Löhnen und Gehältern, denn alles erscheint eben besser als Hartz IV. Lediglich bei den Unqualifizierten verfängt dies nicht, da sie weiterhin aufstockend Alg II benötigen, wenn ihr Einkommen so gering ist, dass es den Regelsatz plus Unterkunftskosten nicht übersteigt. Fazit: Die UnternehmerInnen können sich bei den PolitikerInnen bedanken. Und wir wissen nun endgültig: Wer arbeiten will, findet auch was!

Link zum FAS-Artikel

Berlins Bildungssenator im Interview

In der heutigen Sonntagsausgabe des Berliner Tagesspiegels äußert sich Berlins Bildungssenator Jürgen Zöllner zur aktuellen Bildungsmisere.  Darin plädiert er, „das Bildungsthema als zentrales Politikfeld zu behandeln“. Bildungsausgaben müssten nicht mehr als Subvention, sondern als Investition angesehen werden. Eine klare Position zum Thema Hauptschule vermisst man allerdings schmerzlich und sein Lieblingsthema ist dann doch die Hochschulfinanzierung. Dass zwischen den Themen „Schule“ und „Hochschule“ auch und vor allem über die ungleichen Bildungs- und Aufstiegschancen in Deutschland diskutiert werden muss, kommentiert er eher lässig: „Natürlich ist das schmerzlich. Aber glauben Sie mir: Ich bin jetzt fast 20 Jahre aktiver Bildungspolitiker und ich weiß inzwischen, dass das nicht das einzige Problem ist.“

Link zum Tagesspiegel-Interview

Integrationsbericht NRW

Die Landesregierung NRW hat als erstes Bundesland einen Integrationsbericht vorgelegt, dessen Kern die Darstellung der Umsetzung des „Aktionsplans Integration“ von 2006 ist. Im Gegensatz zu anderen Berichten werden hier nicht nur zwischen AusländerInnen und Deutschen unterschieden, sondern explizit auch die Daten von „Menschen mit Zuwanderungsgeschichte“ (Integrationsbericht) dargestellt. Der Bericht zeigt auf, dass es hier immer noch große Unterschiede in den Bereichen Arbeit, Einkommen und Bildung gibt, sprich, eine Benachteiligung von AusländerInnen und Deutschen mit Migrationshintergrund. Allerdings kann mit der neuen Kategorisierung auch nachgewiesen werden, dass eingebürgerte Deutsche den Deutschen ohne Zuwanderungsgeschichte teilweise sogar überlegen sind: So weisen sie im direkten Vergleich eine bessere schulische Ausbildung auf! Im Vergleich mit früheren Statistiken „zeigt sich, dass die vergleichsweise ungünstigen Werte der ausländischen Bevölkerung zum Teil darauf zurückzuführen sind, dass gut integrierte Zuwanderinnen und Zuwanderer durch Einbürgerung aus der Ausländerstatistik herausgefallen sind. “ (S. 24). So kommen die AutorInnen auch zu ihrem nicht ganz neuen Schluss, dass Bildung der Schlüssel zur Integration sei. Auch umgekehrt wird ein Schuh draus!

Link zur Pressemitteilung

Link zum Integrationsbericht

Radfahren gegen Armut

Eine ganz besondere Aktion gegen Kinderarmut findet ab dem 30. August statt: Zwei Radtouren – eine durch Deutschland, eine durch Indien – sollen Geld für die Stiftung Childaid Network einfahren. An der Deutschlandtour kann jedermann teilnehmen, durch Indien radeln die fünf Organisatoren mit Webcam und Satellitentelefon. Wie das Ganze geht: „Wir setzen uns auf unsere Räder und sammeln für jeden gefahrenen Kilometer einen kleinen Obolus von unseren Freunden, Verwandten und Sponsoren“ (Website). Das Spendenbarometer verzeichnet zz. schon über 8.000 Euro. Schirmherr ist Michael Gross, der mehrfache Goldmedaillenschwimmer.  Viele weitere Prominente unterstützen die Aktion.

Näheres auf der Website der Karmariders

Starthilfe für Erstklässler und billige Pflegekräfte

Kaum freut man sich beim morgendlichen Zeitungslesen über eine gute Nachricht für Berliner Kinder aus finanziell schwachen Familien, liest man ein paar Seiten weiter den mindestens ambivalente Gefühle auslösenden Artikel über billige Pflegekräfte durch kurzausgebildete Langzeitarbeitslose. Der Reihe nach:

Fast alle Tageszeitungen bringen heute eine kurze Nachricht zur Entscheidung des Berliner Senats, finanziell bedürftigen Berliner Erstklässlern ab dem kommenden Schuljahr ein sog. „Starter-Paket“ zu gewähren, das aus einem Härtefallfonds finanziert werden soll. Insgesamt 300.000 Euro sollen die Bezirke hierfür zur Verfügung gestellt bekommen. Initiiert hat das Ganze die Linke.

Link zur Nachricht im Tagesspiegel

In der Taz werden heute die Pläne der Bundesagentur für Arbeit problematisiert, Arbeitslose nach einer kurzen Schulung für die Betreuung von Demenzkranken einzusetzen. Betont wird von allen offiziellen Seiten, dass dadurch keine qualifizierten Kräfte ersetzt werden sollen, sondern zusätzliche Unterstützung gewährt werden soll – z. B. durch Vorlesen, Halmaspielen etc. Dementsprechend unterschiedlich sind die Reaktionen. Während das Vorhaben z. B. durch den Verein für selbstbestimmtes Wohnen im Alter e. V. begrüßt wird, finden es andere wie der Verein für Behindertenhilfe in Hamburg „sträflich“, „Langzeitlose auf Demenzkranke loszulassen“. Die Gewerkschaft Ver.di sieht die Gefahr, dass noch mehr Billigkräfte die Situation der PatientInnen in der Pflege weiter verschlechtern. Und ob man der Versicherung vertrauen kann, keine Festangestellten dafür einzusparen, ist noch die große Frage…

Link zum Artikel in der Taz

Die Kampagne „unvermittelt“

Unter dem Kampagnentitel „unvermittelt“ startet heute in Berlin eine mehrwöchige Aktion „für einen Arbeitsbegriff jenseits von Überarbeitung und Mangel. Praxen, Techniken, Spielräume“ (Website). „unvermittelt“ ist eine AG der NGBK Berlin e.V. (Neue Gesellschaft für bildende Kunst). In Workshops, bei Demonstrationen, aber auch solch originellen Aktionen wie dem „Ausgliederungsservice“, bei dem am 16.8. ein Vertrag abgeschlossen werden kann, der zu nichts verpflichtet (im Gegensatz zum Instrument der Eingliederungsvereinbarung der  Arbeitsagenturen!) sollen Fragen beantwortet werden wie:
* Wie verhält sich der Wert einer Stunde Systemadministration zum Wert einer Stunde joggen?
* Und wieviel Wert hat die Zeit, die wir mit Pflege unserer sozialen Netzwerke verbringen?

Die Kampagne wurde heute Vormittag von der Berliner Arbeitssenatorin eröffnet und läuft noch bis zum 17.09.2008.

Link zur Website von „unvermittelt“