Was ist neu nach der Sommerpause?

Neues gibt es zum Thema Regelsätze für Alg-II-EmpfängerInnen: Die Berliner Sozialsenatorin setzt sich für eine Erhöhung der Regelsätze ein, so will sie das Thema bei der Konferenz der Arbeits- und Sozialminister im November erneut auf den Tisch bringen.  Zwar hat die Konferenz dies im Mai schon einmal beschlossen, die Bundesregierung hat trotz Aufforderung des Bundesrats die Regelsätze aber nicht erhöht. Näheres siehe Taz-Artikel von heute.

Link zum Taz-Artikel

Ansonsten ist die Klagewelle gegen Alg-II-Bescheide lt. einem Artikel in der FR weiterhin ungebrochen. Als Blamage wird dies bezeichnet, da die sog. Sozialreformen eigentlich Bürokratie abbauen und die Verfahren vereinfachen sollten. Süffisant stellt die Zeitung fest, dass Hartz IV so tatsächlich zu einem „gigantischen Beschäftigungsprogramm“ geworden ist – für Anwälte, Richter und die Verwaltung!

Link zum FR-Artikel vom 8.8.

Außerdem hat der Bundesrechnungshof  einem Bericht der HAZ zufolge gravierende Mängel bei der Arbeit der Job-Center zur Vermittlung von Arbeitssuchenden festgestellt.  In einem Prüfbericht seien u. a. lange Wartezeiten sowie der Missbrauch mit Ein-Euro-Jobs bemängelt worden.

Link zum HAZ-Artikel vom 25.7.

 

Sommerpause

Der ArmutsBlog veranschiedet sich in die Sommerpause! Bis zum 10. August wird es keine neuen Beiträge geben, es werden auch keine eingehenden Kommentare freigeschaltet . Ab 11. August finden Sie dann wieder aktuelle Nachrichten, Skandale und Kommentare zum Thema Armut an dieser Stelle.

Verfassungsänderung für „Hilfen aus einer Hand“

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Dezember 2007 die Mischverwaltung in den ARGEn bemängelt. Bundesarbeitsminister Scholz hatte daraufhin ein Modell der „kooperativen JobCenter“ vorgelegt, konnte sich damit aber nicht durchsetzen. Wie u. a. Spiegel.de heute berichtet, haben nun die Bundesländer einstimmig für eine Verfassungsänderung votiert, um für Hartz-IV-EmpfängerInnen weiterhin „Hilfen aus einer Hand“ gewähren zu können. Nun muss noch Bundestag und Bundesrat mit mindestens 2/3-Mehrheit die Grundgesetzänderung  absegnen.  Parallel soll die Zusammenarbeit von Kommune und Arbeitsagentur verbessert werden.

Link zu Spiegel.de

Armut im europäischen Vergleich

Das statistische Bundesamt teilte am 9.7. die wesentlichen Ergebnisse der EU-SILC-Studie 2006 mit. Hiernach liegt die Armutsbetroffenheit in der Europäischen Union bei 16 % – und damit 3 % höher als in Deutschland. Ist Deutschland also „doch nicht so arm dran“, wie z. B. die TAZ daraufhin titelte? Hier ist große Vorsicht geboten, denn neben der umstrittenen Datenbasis der EU SILC-Statistik (s. div. Blogbeiträge im Rahmen des aktuellen Armuts- und Reichtumsberichts) bildet Deutschland das Schlusslicht bei der Höhe der Armutsgrenze im Vergleich der westlichen Industriestaaten: Nach der EU SILC-Statistik liegt die Armutsgrenze in Deutschland bei 9.370 Euro jährlich – in Luxemburg dagegen bei 17.808 Euro – fast doppelt hoch! Durchgängig in allen EU-Ländern erhöht Arbeitslosigkeit die Armutsgefährdung.

Link zur Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes

Jede/r vierte Berliner/in hat einen Migrationshintergrund

Wie das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg in seiner aktuellen Zeitschrift darstellt, hat jede/r vierte Berliner/in einen Migrationshintergrund. Hierunter zählt das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg Ausländer/innen,  eingebürgerte/r Deutsche,  (Spät-) Aussiedler/innen und Nachkommen von Eltern mit Migrationshintergrund. Bisher wurde ein eventueller Migrationshintergrund nicht statistisch erfasst. Nach den jüngsten Zahlen leben in Berlin ca. 470.000 Ausländer/innen (14,0 Prozent) und   ca. 393.500  Deutsche mit Migrationshintergrund (11,7 Prozent). Die Einkommensverhältnisse sind in der Publikation nicht dargestellt.

Link zur Zeitschrift für amtliche Statistik BB


Regierung hantiert mit alten Zahlen zur Kinderarmut

Im Dezember 2007 hat „Die Linke“ eine Große Anfrage zum Thema Kinderarmut gestellt. Wie die Taz heute berichtet, liegt nun die Antwort der Bundesregierung vor. Auf die Frage, warum im aktuellen Armuts- und Reichtumsbericht das Ausmaß von Kinderarmut in Deutschland mit 12 % angegeben wird, obwohl das zuständige Ministerium unter Frau von der Leyen längst aktuellere Zahlen vorgelegt hat, die 16-17 % Armutsbetroffenheit benennen, wird auf die nötige internationale Vergleichbarkeit verwiesen, die schon als Argument für die unterschiedlichen Daten zur Armutsbetroffenheit in Deutschland insgesamt herhalten musste (13 % statt 18 %, siehe Meldung vom 20.5.08). Wenn die alternativen Daten ein geringeres Ausmaß von Armut ergeben würden, wie hätte sich die Regierung in diesem Fall wohl entschieden??? Zur Armutsbetroffenheit von Kindern aus Einwandererfamilien konnte die Bundesregierung in der Antwort auf die Große Anfrage lt. Taz keine Angaben machen. Dabei habe auch hier das Familienministerium längst Zahlen vorgelegt, nach denen die Armutsrisikoquote dieser Gruppe bei rund 30 % liegt. Sicher ist sich die Regierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage jedoch, dass die Regelsätze für Kinder beim Alg II ausreichend seien…

Link zur Anfrage der Fraktion Die Linke

Link zum Artikel in der TAZ

Neues nach der EM

Die Fußballeuropameisterschaft ist vorbei. Der neue Regelsatz beim Arbeitslosengeld II kommt – ab heute erhält der Haushaltsvorstand 351 Euro statt wie zuvor 347 Euro.  Auch die vom Regelsatz  des Haushaltvorstandes abgeleiteten Regelsätze für Angehörige erhöhen sich entsprechend. Die Erhöhung beträgt  1,1 % – gekoppelt an die Rentenerhöhung. Angesichts einer Inflation letztes Jahr von 2,3 % wird aus der Erhöhung ein Verlust von 1,2 %. Also auch hier nicht wirklich ein Grund zu feiern.

Gleichzeitig wird das Wohngeld zum 1. Januar 2009 im Durchschnitt um zwei Drittel auf 150 Euro monatlich erhöht.  Das beschloss das Bundeskabinett am Mittwoch in Berlin.

Mehr Eltern als zuvor können den Kinderzuschlag erhalten, an der maximalen Höhe von 140 Euro ändert sich aber nichts.

Armuts- und Reichtumsbericht verabschiedet

Gestern hat das Kabinett den 3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung verabschiedet (zum Entwurf siehe diverse Beiträge, z. B. vom 23.5.08 und 27.5.08).  Die Fakten sind natürlich unverändert, aber offenbar sind sie umgedeutet und anders bewertet worden als im Entwurf. So berichtet die FR heute, dass Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) die vorgenommenen Veränderungen lobt. Anders sehen das die Wohlfahrtsverbände, so habe die Koalition lt. Caritasverband nicht zwischen sachlicher Analyse und politischer Wertung trennen können, der Sozialverband Deutschland bemängelt,  der Bericht habe die Auswirkungen jahrelangen „Sozialabbaus“ ausgeblendet.

Der Kommentar von Monika Kappus, ebenfalls FR, ist da noch deutlicher: Die Regierung habe es geschafft, Gegensätze zwischen Schwarz und Rot zuzuschmieren. So weichgespült, wie der Armutsbericht dank der Intervention von Unions-Wirtschaftsminister Glos sei, tauge er nicht zur Handlungsanweisung. Der Armutsbericht sei vor allem eins: ein Armutszeugnis in Schwarz-Rot.

Link zum Artikel in der FR

Link zum Kommentar von Monika Kappaus

AusländerInnen sind die Verlierer beim Thema Armut

Auf Spiegel.de ist aktuell ein Artikel über eine vom Chef des Bonner Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft, Meinhard Miegel, vorgelegte Studie zum Thema Armut zu lesen. Darin komme Miegel zu dem Schluss, dass die zunehmend ungleiche Verteilung der Einkommen in Deutschland kein Problem der Mittelschicht sei – die Chance auf Wohlstand hänge vielmehr entscheidend davon ab, ob man in eine deutsche Familie geboren sei. Eine weitere Risikogruppe seien Alleinerziehende.

Nun ist es seit Jahren bekannt, dass Alleinerziehende, kinderreiche Familien und Menschen mit Migrationshintergrund sowie Nichtdeutsche besonders stark von Armut betroffen sind. Miegel wende sich mit seiner Studie aber gleichzeitig gegen die „massenhafte Angst der Deutschen vorm sozialen Abstieg“. Vor allem die Mittelschicht sei nicht in dem Ausmaß betroffen wie zz. überall kolportiert und es gebe auch genügend „Gewinner“, so seien 2,1 Mio. Menschen 2006 in die „Liga der Topverdiener“ aufgestiegen – überwiegend sind dies deutschstämmige Familien und über 64-Jährige.

Link zum Spiegel-Online-Artikel

Kinderschutzchef zum Thema Kinderarmut im Interview

In der TAZ von gestern äußert sich der Präsident des Kinderschutzbundes zu den Vorschlägen der SPD und CDU  zum Thema Kinderarmut (s. a. die letzten Blogmeldungen zum Thema).  Er wendet sich gegen die gekürzten Regelsätze für Kinder beim  Arbeitslosengeld II, da diese willkürlich festgesetzt worden seien. Im Gegensatz dazu fordert er eine Grundsicherung für Kinder in Höhe von run d 400 Euro pro Kind – und zwar für alle Kinder – ob arm oder reich. Dies würde auch das gegenwärtige Kindergeld überflüssig machen.

Link zum Interview in der TAZ